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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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Viertel der Stadt? Du weißt doch, L'Abbaye ist kein Kloster mehr, sondern inzwischen ein Gefängnis.“
„Ich habe keine Angst, allein hinzugehen“, erwiderte Valentine. „Ich habe der Äbtissin versprochen, diese Aufgabe verantwortungsvoll zu übernehmen. Jetzt ist die Zeit gekommen, mich zu bewähren. Aber du mußt hierbleiben. Onkel Jacques-Louis hat uns verboten, das Haus in seiner Abwesenheit zu verlassen.“
„Dann müssen wir unseren Ausflug sehr klug planen“, erwiderte Mireille, "denn ich werde dich niemals allein nach Cordeliers gehen lassen. Darauf kannst du Gift nehmen!“
ZEHN UHR VORMITTAGS
    Germaine de Staël Kutsche fuhr durch das Tor der schwedischen Botschaft. Auf dem Wagendach türmten sich Truhen und Perückenschachteln, die zwei Diener in Livree nicht aus den Augen ließen. Germaine wurde von ihren Zofen begleitet; sie trug die offizielle Robe einer Botschafterin mit den farbigen Bändern und Epauletten. Die sechs Schimmel bahnten sich durch das Menschengewimmel auf den Straßen von Paris einen Weg zum Stadttor. Ihre prächtigen Kokarden leuchteten in den schwedischen Farben, und an den Wagenschlägen prangte das königliche schwedische Wappen. Die Vorhänge hinter den Fenstern waren geschlossen.
    Germaine überließ sich in der Dunkelheit der Kutsche ihren Gedanken und blickte nicht aus dem Fenster, bis die Kutsche noch vor Erreichen der Stadttore plötzlich anhielt. Eine Zofe beugte sich vor und schob ein Fenster hoch.
    Draußen standen zerlumpte Frauen. Sie hielten drohend Rechen und Hacken in den Händen, als seien es Waffen. Ein paar starrten Germaine mit offenen Mündern an. Germaine lehnte sich aus dem Fenster. Einer ihrer runden, dicken Arme lag auf dem Rahmen.
    „Was geht hier vor?“ rief sie mit ihrer vollen, herrischen Stimme. „Laßt meine Kutsche sofort passieren!“
„Niemand darf die Stadt verlassen!“ schrie eine Frau aus der Menge. „Wir bewachen das Tor! Tod dem Adel!“ Die umstehenden Frauen nahmen den Schrei auf. Immer mehr Menschen drängten sich um den Wagen. Das Geschrei des Pöbels machte Germaine beinahe taub.
„Ich bin die schwedische Botschafterin!“ rief sie. „Ich reise in einer offiziellen Mission in die Schweiz! Ich befehle euch, laßt mich passieren!“
„Ha! Sie befiehlt!“ rief eine Frau am Fenster und spuckte Germaine unter dem Jubel der Menge ins Gesicht.
Germaine zog ein Spitzentaschentuch aus dem Mieder und wischte sich den Speichel ab. Sie warf das Taschentuch aus dem Fenster und rief: „Das ist das Taschentuch der Tochter von Jacques Necker, dem Finanzminister, den ihr geliebt und verehrt habt. Nun ist es besudelt vom Speichel des Volks!... Tiere“, murmelte sie zu ihren Zofen gewandt, die sich zitternd in die andere Ecke der Kutsche drückten. „Wir werden sehen, wer hier Herr der Lage ist.“
Aber die Frauen hatten die Pferde bereits ausgeschirrt, die Kutsche gewendet und zogen sie jetzt durch die Straßen. Die aufgebrachte Menschenmenge wuchs von Minute zu Minute. Sie drängten sich um den Wagen und zogen und schoben ihn wie ein Heer Ameisen ein Stück Brotrinde.
Germaine klammerte sich kochend vor Zorn an die Tür, fluchte und drohte der Menge, aber ihre Stimme ging im Geschrei und Gebrüll des Pöbels unter, Nach einer Ewigkeit erreichte die Kutsche ein großes, imposantes, von Wachen geschütztes Gebäude. Als Germaine sah, wohin man sie gebracht hatte, wurde ihr eiskalt. Es war das Hotel de Ville, das Hauptquartier der Pariser Kommune.
Die Pariser Kommune war gefährlicher als der Pöbel, der ihre Kutsche bedrängte. Hier saßen nur Verrückte. Sogar die Mitglieder der Nationalversammlung fürchteten sie. Sie verhafteten, verurteilten und richteten Angehörige des Adels mit einer Geschwindigkeit hin, die nichts mehr mit den Gedanken der Freiheit zu tun hatte. Für sie war Germaine de Staël nur ein weiterer adliger Hals, den die Guillotine durchtrennen würde.
Man riß den Wagenschlag auf. Schmutzige Hände zerrten Germaine auf die Straße. Aufrecht und mit eisigen Blicken schritt sie durch die Menge. Hinter ihr zitterten Zofen und Kutscher, die man aus der Kutsche holte und mit Besen und Schaufelstielen vorwärts trieb. Man schleppte Germaine die steilen Stufen zum Eingang des Hotel de Ville hinauf. Sie hielt entsetzt den Atem an, als plötzlich ein Mann auf sie zusprang und ihr mit einer Spitzhacke das Botschafterinnenkleid aufriß. Im selben Augenblick trat ein Wachmann vor und schob die Spitzhacke mit dem Schwert beiseite. Er

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