Katie außer Rand und Band - wie eine Hundedame unser Herz eroberte
mit einer Geste, ihm die Kartoffeln zu reichen, »erzähl den anderen doch mal von dem Essen während unserer Flitterwochen in Atlantic City.« Daraufhin schilderte Pearl in den lebhaftesten Farben den tollsten Muscheleintopf und die köstlichste gefüllte Flunder, die sie je gegessen hatte. »Atlantic City war damals noch nicht so herausgeputzt«, warf Arthur ein und deutete auf ihr Lieblingsfoto, das einen Ehrenplatz über der Mahagonihausbar einnahm – eine Schwarz-Weiß-Aufnahme der beiden an der Strandpromenade.
Während sie plauderten, hatte ich viel Zeit, die kleinen Dinge zu beobachten, die die Geschichte ihrer Liebe erzählten. Nach dem Essen stand Pearl auf, legte ihm die Hände auf die Schultern und fing an, ihn zu massieren. Er lehnte sich zurück und schloss wohlig die Augen. Oder er legte sachte die Hand auf ihren Arm und streichelte ihn, lobte ihr Essen und bat höflich um die Nachspeise im Wohnzimmer. Später schauten sie sich dann gemeinsam ein Basketball- oder ein Baseballspiel im Fernsehen an und feuerten die New York Knicks oder die Yankees an.
Pearl lauschte stets aufmerksam, wenn Arthur etwas sagte, selbst wenn er sich wiederholte. Beim Essen gab er oft einen seiner alten und ziemlich geschmacklosen Witze zum Besten, doch er erzählte ihn so lebhaft – und so trocken –, dass er immer wieder neu war. Einer seiner Lieblingswitze handelte von einem Ehevermittler. Jedes Mal, wenn ein neuer Gast beim Essen war, kam er damit an.
»Ein Ehevermittler bot Morty ein hübsches junges Mädchen an, eine richtig süße Maus«, begann Arthur. »Aber Morty blieb stur. ›Ich bin Geschäftsmann‹, sagte er. ›Bevor ich etwas kaufe, sehe ich mir ein Muster an. Deshalb will ich auch vor der Hochzeit ein Muster sehen.‹
Dem Vermittler blieb nichts anderes übrig, als diese Botschaft an das Mädchen weiterzuleiten. ›Er hat gesagt, dass er wissen muss, was er kauft, und deshalb besteht er auf einem Muster.‹
›Hören Sie mal‹, erwiderte das Mädchen, ›auch ich verstehe mich auf Geschäfte. Ein Muster kann ich ihm nicht geben, aber ich kann ihm einige Referenzen nennen.‹« Und dann brach Arthur in dröhnendes Gelächter aus, in das Pearl heiter einstimmte.
Wenn Arthur gute Laune hatte, steckte er alle damit an.
Doch im Herbst 1994 fiel ein Schatten auf unsere Welt: Arthur musste wegen einer Lungenentzündung ins Krankenhaus. Seit Wochen hatte er gehustet und war die Erkältung einfach nicht losgeworden. Er wirkte immer deprimierter und nahm immer weniger Anteil am Leben. Selbst mit Katie verbrachte er kaum noch Zeit, auch wenn sie sich auf seinen Schoß setzte, wann immer sie konnte.
Pearl war äußerst besorgt und besuchte ihn jeden Morgen im Krankenhaus. Oft begleitete ich sie, weil auch ich Arthur gerne sehen und sie moralisch unterstützen wollte. Sie war völlig aus dem Häuschen. Ihr Leben lang hatte sie sich ausschließlich um Arthur gekümmert, nicht nur wie eine Ehefrau, sondern auch wie eine Mutter, und sie hatte es wirklich großartig gemacht. Aber in Arthurs momentaner Verfassung konnte sie nichts für ihn tun.
Bei einem unserer Besuche war er völlig desorientiert, und die Schläuche, an denen er hing, quälten ihn. Er musste sogar künstlich ernährt werden.
»Bitte«, wisperte er mit rauer Stimme und umklammerte mein Handgelenk, »schneide diese Schläuche durch!« Ich wusste, dass er verwirrt war, und es brach mir das Herz, ihn in einem solchen Zustand zu sehen. Er hatte schreckliche Schmerzen und wollte sie nicht mehr ertragen. »Bitte, mach es«, flehte er mich noch einmal an.
Nach diesem Besuch gingen Pearl und ich in ein kleines chinesisches Restaurant gegenüber vom Krankenhaus und aßen wie so oft gemeinsam zu Mittag. Erschüttert sprachen wir leise darüber, dass es Arthur offenbar immer schlechter ging. Und ich entdeckte etwas in Pearls Augen, was ich noch nie bei ihr gesehen hatte – Angst.
Abends blieb Arthurs Stuhl bei unseren Familienmahlzeiten leer. Wir vermissten seine tiefe Stimme und seine vernünftigen Bemerkungen, ja sogar seine Klagen über die Cartoons. Jeden Abend fragte Ryan, wie es »Artur« ging. Katie vermisste ihn ebenfalls; wenn sie allein auf seinem Stuhl ein Nickerchen hielt, wirkte sie richtig verloren.
An einem eiskalten Tag Anfang Januar 1995 ging Pearl ohne mich ins Krankenhaus. Als sie am Nachmittag an meine Tür klopfte, wirkte sie schrecklich blass.
Zum ersten Mal war diese starke, stolze Frau – die gelassene, stets optimistische
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