Katie außer Rand und Band - wie eine Hundedame unser Herz eroberte
ganz Neues gewonnen – eine neue Wahrnehmung von Familie.
Für mich war das Leben nun wie in einem Studentenwohnheim, ständig gingen Türen auf und zu, ständig wechselte man von einer Wohnung zur nächsten, und wir alle kamen uns immer näher.
Ich verabredete mich zwar weiterhin und gab die Suche nach einer Liebesbeziehung nicht auf, aber in der Zwischenzeit fand mein Herz ein Zuhause in unserer Gruppe. Sie war eine stete Quelle der Sicherheit und Liebe, eine feste Basis, auf der ich ein reiches Gefühlsleben entwickeln konnte, egal, ob nun mit oder ohne Lebenspartner.
Und wenn mir Ryan am Abend einen dicken Gutenachtkuss gab und Katie erschöpft zum Schlafen heimkehrte, merkte ich, wie sehr ich mich auf den nächsten Tag freute.
Ryans unerschöpfliche Energie belebte uns alle. Ich staunte, wie schnell er sich Pearl angeschlossen hatte. Er himmelte sie richtig an und wollte so viel Zeit wie nur möglich mit ihr verbringen.
»Wahrscheinlich steht Pearl Ryan sogar näher als eine richtige Großmutter, denn sie lebt direkt nebenan, und er kann sie täglich sehen«, sagte John eines Abends zu mir. Das stimmte. Wie viele Großeltern haben schon solch direkten Kontakt zu ihren Enkeln?
Es war rührend, wie Ryan Pearl umarmte und ihr einen schüchternen Kuss gab. »Er ist ein toller Umarmer, mein Junge«, sagte Pearl strahlend.
Wenn ich in solchen Momenten Johns Gesicht betrachtete, merkte ich, wie sehr es ihn freute, dass sich die Welt seines Jungen erweitert hatte, und wie sehr es ihm half, dass Pearl in das Leben seines Sohnes getreten war.
Doch Pearl wirkte sich auch auf sein eigenes Leben aus: Sie war nicht nur Ryans Ersatzgroßmutter geworden, sondern auch die inoffizielle Mutter von John. Mit Rat und Tat stand sie ihm zur Seite, ob beim Kochen oder in Gesundheitsfragen, ob bei Verabredungen oder in Erziehungsfragen.
»Pa-Re-El hat mir heute gesagt, was ich mit einem meiner Vorgesetzten bei der Arbeit machen soll.« John lachte. Pearls bedingungslose Unterstützung und ihre großmütterliche Unerschrockenheit waren ihm eine große Hilfe.
Alles in allem hätte es für uns alle gar nicht besser laufen können, abgesehen davon, dass Arthur immer langsamer wurde. Geistig war er zwar noch sehr rege, verschlang Spionagekrimis und konnte sämtliche wichtigen Sportereignisse aufzählen, doch seine körperlichen Kräfte schwanden.
Als wir uns vor sechs Jahren kennenlernten, war er häufig unterwegs gewesen. Er hatte lange Spaziergänge mit Katie unternommen, mit den Nachbarn in der Lobby geplaudert und die Läden unserer Straße aufgesucht.
Doch inzwischen ging er, abgesehen von Arztbesuchen, kaum mehr aus dem Haus. Das Laufen fiel ihm schwer, weil er Arthritis hatte und seine Füße stark anschwollen.
Pearl hatte sich stets um Arthur gekümmert, aber jetzt ließ sie ihn kaum noch aus den Augen, gab ihm seine Medikamente und begleitete ihn zum Arzt. Sonst unternahmen sie jedoch immer weniger gemeinsam.
Pearls Esstisch wurde mehr und mehr zu unserem Treffpunkt, zum Mittelpunkt unserer Welt. Die Mahlzeiten strukturierten natürlich auch Arthurs Tag, und er freute sich jedes Mal aufs Essen.
Pearl besorgte frisches Obst und Gemüse vom Markt, und zur Essenszeit erfüllten wunderbare Düfte die Wohnung. Das Wasser lief einem im Mund zusammen. Katie und Arthur kamen in freudiger Erwartung von ihrem langen Mittagsschläfchen aus dem Schlafzimmer.
Arthur lief langsam und schimpfte über seine Wadenkrämpfe und Schmerzen in den Füßen. Katie sprang munter voraus, hüpfte auf den grünen Stuhl neben seinem und legte wie üblich die Pfoten auf den Tisch. Arthur setzte sich neben sie und begutachtete den Schmorbraten oder das Paprikahühnchen.
Katie überwachte die Mahlzeit mit Argusaugen. Zuerst verputzte sie das Fressen in ihrer Schüssel, die ebenfalls auf dem Tisch stand. Dann bettelte sie Arthur um ein Stückchen Huhn oder ein bisschen Mais an und schlug ihm wimmernd die Pfote auf den Arm.
»Immer mit der Ruhe, Mädel«, neckte er sie und ließ wie Ryan einen Leckerbissen über ihrem Kopf schweben, bis er ihn ihr schließlich ins Maul warf.
»Quäle sie nicht so«, sagte ich dann, während Pearl stumm blieb und sich freute, dass alle ihre kulinarischen Bemühungen schätzten.
Es war ergreifend, wie Pearl und Arthur nach über fünfzig Jahren Ehe noch immer lebhaft miteinander sprachen, sei es über aktuelle Ereignisse, Nachbarschaftstratsch oder Katies Streiche.
»Pearl, meine Liebe«, sagte Arthur und bat sie
Weitere Kostenlose Bücher