Katie außer Rand und Band - wie eine Hundedame unser Herz eroberte
Matriarchin unserer Familie – am Boden zerstört. Als wir uns umarmten, stiegen ihr Tränen in die Augen.
Ich wusste sofort, was passiert war.
»O nein, es tut mir so leid.«
»Sie haben versucht, ihn zu retten«, flüsterte sie. »Aber es war zu spät. Und ...« Sie konnte nicht weitersprechen und schluchzte nur noch, als ich sie zur Couch führte.
Pearl und Arthur waren neunundfünfzig Jahre lang verheiratet gewesen. Nun war Arthur im Alter von fünfundachtzig Jahren gestorben.
»Fast hätten wir die sechzig geschafft«, meinte Pearl traurig lächelnd. Sie starrte aus dem Fenster, Katie saß auf ihrem Schoß. Gedankenverloren drückte sie sie an sich.
Der Verlust machte uns allen schwer zu schaffen. Ryan war zu jung, um ganz zu verstehen, was passiert war, doch er weinte, als John ihm erklärte, Arthur sei jetzt im Himmel und komme nie mehr wieder. »Nie mehr?«, fragte er fassungslos.
Danach schlich Katie noch wochenlang bedrückt in Pearls Wohnung herum. Sie merkte, dass Arthur nicht mehr da war. Trauernd legte sie sich auf seinen Lieblingsstuhl, fast so, als wolle sie ihn bewachen, niedergeschlagen schlief sie auf seinem Morgenmantel, der natürlich noch nach ihm roch. Ohne Arthur herrschte eine schreckliche Stille in der Wohnung 3C.
Am nächsten Tag begleiteten wir Pearl zum Friedhof im Westchester County. Das Wetter war grauenhaft, es stürmte und regnete in Strömen, immer wieder kamen heftige Böen auf, und man rutschte im Matsch aus. Auf dem Weg einen Hügel hinab zum Familiengrab wäre Pearl beinahe gestürzt. Ich hielt sie am linken Arm fest, Ryan umklammerte ihre rechte Hand, und John hielt einen riesigen Regenschirm über uns alle. Katie sank im feuchten Boden ein, ihre Pfoten waren schlammbedeckt, doch sie saß reglos neben dem Grab, als Arthurs Sarg hinabgesenkt wurde.
Zwischen all den Menschen war auch Arthurs Hundefreundin da, durchnässt vom Regen war sie weiterhin Teil ihres Rudels und begleitete es durch dick und dünn.
Als wir nach Hause kamen, war Pearl vollkommen erledigt.
»Das war der schlimmste Tag meines Lebens«, gestand sie mir bei einer dampfenden Tasse Tee. Als Pearl sich von Arthur verabschiedete, sah ich sie zum ersten Mal weinen.
13
»Auf die Plätze, fertig, los!«
A n einem warmen Frühlingsnachmittag 1996 bog ein vertrauter gelber Schulbus mit plappernden Sechs- bis Neunjährigen in unsere Wohnanlage ein. Er hielt vor der Eisdiele und schaltete die Warnblinkanlage an.
Bei den vielen wartenden Müttern und Vätern stand auch Pearl. Pünktlich wie immer holte sie ihren Pflegeenkel um drei Uhr ab – der Höhepunkt ihres Tages.
Sie trug ihre praktischen Lackschuhe, einen grauen Tweedrock und einen blauen Anorak. Ihre dichten grauen Haare wehten im Wind.
Katie wartete ebenfalls eifrig, sie saß da, als die Bustüren aufgingen, und musterte auf der Suche nach dem sechsjährigen Ryan aufmerksam jedes Kind, das die Stufen herunterkletterte.
Endlich sprang er heraus, fröhlich mit einem Freund kichernd. Er trug eine Jeansjacke, Jeans und rote Turnschuhe, und der blaue Power-Rangers-Rucksack hing schief auf seiner Schulter.
Katie stürmte vor und stellte sich auf die Hinterbeine, um ihn ungestüm zu begrüßen. Beinahe hätte sie ihn umgeworfen.
»Hi, Katie«, meinte er lächelnd, beugte sich vor und streichelte ihr liebevoll den Kopf. Dann stürzte er sich in Pearls Arme, und sie drückte ihn fest an sich.
»Graaaanny!«, rief er, »das ist für dich.« Er reichte ihr eine kleine Keramikschüssel, die er an jenem Tag im Kunstunterricht gebastelt hatte.
»Danke, mein Süßer. Wie war dein Tag?«, fragte sie. Auf diese Frage erhielt sie nur ein rasches »bestens«, bevor Ryan mit Katie ein Wettrennen zum Eingang veranstaltete.
Irgendwann war Pearls Spitzname Pa-Re-El zu Granny geworden, und zwar gedehnt – Graaaanny. Je länger, desto besser. Wenn wir Pearl necken wollten, machten wir »Älteste Granny« daraus, was ihr ein Lächeln entlockte, oder nur »Älteste«, woraufhin sie scherzhaft das Gesicht verzog.
Pearl war nicht die Einzige von uns, die einen Spitznamen erhielt. Katies Spitzname, »das Kind«, wurde inzwischen »Kiiiind« ausgesprochen, was Ryan fröhlich vor sich hinträllerte.
»Hallo, Kiiiind«, sagte er kichernd und rieb ihr den Bauch, »warst du brav oder böse?«
Mal das eine, mal das andere.
Wenn Pearl Katies Spitznamen benutzte, wollte sie meist etwas betonen. Wenn ich heimkam, pflegte ich zu fragen: »Und, wie war mein süßes kleines
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