Katie außer Rand und Band - wie eine Hundedame unser Herz eroberte
zusehen zu müssen, wie die Älteste immer hilfloser wurde und sich auch in praktischer Hinsicht auf ihr Ende vorbereitete. Auf ihre Bitte hin hatten Lee und ich sogar ein Bestattungsinstitut in der Upper West Side von Manhattan aufgesucht, um die Kosten für Pearls Beerdigung im Voraus zu begleichen. Es war wahrhaftig grauenvoll, den Sarg auszusuchen und die Bestattung zu planen für jemanden, der noch am Leben war.
Ich besuchte Pearl weiterhin zwei bis drei Mal am Tag, um mit ihr zu plaudern und ihr die Neuigkeiten aus der Nachbarschaft zu berichten. Ihr größter Trost, ihr Fels in der Brandung aber war Naia, die sich fürsorglich um all ihre Bedürfnisse kümmerte. Oft stellten wir scherzhaft fest, dass Pearl Naias Kochkünste zwar nie zu schätzen gelernt hatte, aber Naia von Herzen liebte – und wie eine Enkelin behandelte.
Ich sah, dass es auch Naia belastete, sich um eine Frau zu kümmern, deren Gesundheitszustand sich zusehends verschlechterte. Granny bemerkte es ebenfalls.
»Du arbeitest zu viel und nimmst ab«, sagte Granny und schob Naia ein zweites Stück Kuchen zu. »Iss!«
»Es gefällt mir, wenn du deine Haare zurückkämmst wie eine Ballerina«, sagte sie ein anderes Mal. »Nimm doch die Bürste von meinem Frisiertisch, sie stammt von meiner Mutter. Jetzt sollst du sie haben, ich brauche sie nicht mehr.«
»Hier, ein kleiner Bonus«, sagte sie eines Tages und schob Naia einen Zwanzigdollarschein zu. »Gönn dir mal eine Maniküre.«
»Nein, Granny«, entgegnete Naia fest und musste über Grannys Fürsorge lächeln, »das brauche ich nicht. Aber trotzdem vielen Dank.«
Wenn Pearl wieder einmal keinerlei Energie hatte, bemühte sich Naia nach Kräften, sie aufzuheitern. »Granny, machen wir einen kleinen Spaziergang!« Doch Pearl drehte den Kopf weg und vergrub sich tiefer unter ihrer Decke, wie Katie es immer getan hatte. »Na komm schon, Schätzchen«, meinte Naia beharrlich. »Ich helfe dir.« Doch Granny war nicht zu bewegen.
Wir sprachen selten über Katie, weil das Thema noch zu schmerzlich war. In den Wochen und Monaten nach ihrem Tod spürte ich jedoch ihren Geist. Es war wirklich so. Ich dachte immer wieder an das, was Paul mir gesagt hatte, bevor er gegangen war – unsere Hunde wollen, dass wir glücklich sind, dafür leben sie.
Manchmal, vor allem nachts, regte sich etwas in meinem Schlafzimmer, und ich spürte Katies Anwesenheit. Manchmal spürte ich allerdings auch nur die öde, stille Leere.
Ich begann zu verstehen, dass Liebe nicht an Raum und Zeit gebunden ist; sie hält weit über die physischen Begrenzungen hinaus an. Dieser Trost ließ mich meist friedlich einschlafen, und wenn ich Glück hatte, besuchte mich Katie im Traum.
Aber Granny fand kaum einen Trost. Nach Katies Tod schien sie verloren, sie schien unter ihrer uralten, zerschlissenen Tagesdecke zu überwintern. Ich konnte kommen, wann immer ich wollte – entweder sie schlief, oder sie war deprimiert und in sich gekehrt, oder sie sah geistesabwesend fern, wie in Trance.
Sie wollte nicht mehr baden, sie machte die Post nicht mehr auf, sie las kaum noch und musste sogar überredet werden, zum Essen an den Tisch zu kommen. Nichts schien sie mehr aufzuheitern.
Noch schlimmer wurde es, als John verkündete, dass man ihm einen Traumjob im Pariser Büro seiner Zeitung angeboten hatte und er demnächst mit Ryan für fünf Jahre nach Frankreich ziehen würde. Für ihn war es natürlich eine fantastische Chance, doch Pearl konnte sich nicht recht darüber freuen. Seit die beiden nach Uptown gezogen waren, war es umständlicher geworden, sie zu sehen, aber immerhin waren sie noch in New York. Jetzt würde sie sie bald gar nicht mehr sehen können.
Natürlich hatte sie mich und Lee und ihre Freundinnen, aber der Verlust von Katie und Ryan brach ihr das Herz, und sie fühlte sich einsam wie noch nie.
Ich war sehr froh, als Granny im Dezember 2002, einen Monat nach Katies Tod, mit uns am Tisch saß und am Essen teilnahm. Es gab Hackbraten, Zucchini und Kartoffelbrei, und zum Nachtisch Chanukka-Kekse, die ich in ihrer Lieblingsbäckerei in der Lower East Side besorgt hatte.
Ihre Stimmung war wieder etwas besser, und sie freute sich sehr für mich, als ich berichtete, dass ich gerade einen wunderbaren Auftrag bekommen hatte. Ich sollte als Ghostwriter ein Buch für jemanden schreiben, den ich schon seit Langem bewunderte.
Das war die gute Nachricht. Die Schlechte war, dass ich dafür ab März des kommenden Jahres fünfzehn
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