Katie außer Rand und Band - wie eine Hundedame unser Herz eroberte
Ryan immer ein bisschen schummelte und sich vor die Startlinie drängelte; wie sie zum Aufzug rannte, um Ramon zu begrüßen, sich für eine Bauchmassage auf den Rücken warf und die Beine in die Luft reckte; wie sie in ihrem Festtagsstaat zwischen den Wohnungen hin und her stolzierte, der freudig wedelnde Schwanz gerahmt von schwarzen Satinrüschen.
Als ich meine Wohnungstür aufschloss, schnürten mir die Gefühle der letzten Tage die Kehle zu. Ich hatte die meisten zurückgehalten, mich mit dem Tierarzt, Pearl, Paul und dem Gedenkkonzert beschäftigt. Ich hatte von Adrenalin und Schokolade gelebt und kaum geschlafen.
Doch jetzt war ich allein und ließ los. Ich fing zu weinen an und konnte gar nicht mehr aufhören. Mit Mühe schaffte ich es ins Wohnzimmer. Als mein Blick auf Katies Lieblingssessel fiel, auf dem noch ein Stoffhäschen lag, mit dem sie so gern gespielt hatte, fuhr mir der Verlust wie ein Dolch durch den Leib. Ich kniete mich auf den Teppich, beugte mich über den Sessel und schluchzte so heftig, dass ich kaum noch Luft bekam.
»Ich vermisse mein Baby!« Mehr brachte ich nicht heraus, doch diesen Satz stammelte ich, bis keine Tränen mehr da waren und nur noch Leere und grässliche Stille meine Wohnung erfüllten.
Schließlich stand ich auf, ging ins Bad und spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht. Danach ging ich entschlossen in die Küche und fing an, Sachen wegzuwerfen. Ich nahm eine Mülltüte und räumte ein ganzes Regalbrett leer: Katies Medizin, Shampoos, Cremes, Lotionen und die große Tüte Hundefutter, die ich vor ein paar Tagen voller Zuversicht beim Tierarzt gekauft hatte. Die Tüte brachte ich sofort in den Keller und warf sie in die Müllpresse. Ich wollte nichts mehr davon sehen. Als Nächstes sammelte ich Katies Spielsachen ein, ihre Kämme und Bürsten, die Näpfe, ihre Mäntelchen, ihre Leine und sogar das Namensschildchen in Form eines Knochen, das fünfzehn Jahre an ihrem Halsband gehangen hatte. »Katie Plaskin« war darauf eingraviert, darunter ihre Adresse und die Telefonnummer. Jedes Mal, wenn ich dieses kleine Schildchen an ihrem Hals hatte klirren hören, wusste ich, dass sie in meiner Nähe oder unterwegs auf unserem Flur war. Ich beschloss, das Schildchen zu behalten und es an meinem Schlüsselbund zu befestigen, um es immer sehen und hören zu können. Noch heute habe ich es bei mir. Den Rest von Katies Sachen verstaute ich im großen Schlafzimmerschrank auf den Regalbrettern, die eigentlich für Schuhe vorgesehen waren.
Danach brach ich auf meinem Bett zusammen und sank sofort in einen tiefen Schlaf.
Später wollte ich mit Pearl zu Abend essen. Doch Pearl hatte keinen Appetit, wir saßen im dämmrigen Licht des Sonnenuntergangs in ihrem Wohnzimmer und hörten mit halbem Ohr die Nachrichten im Radio. Bald ging sie wieder in ihr Bett und sah fern, während Naia und ich uns leise im Esszimmer unterhielten.
Wie sehr hatte sich meine Beziehung zu Pearl geändert. Jahrelang waren wir die besten Freunde gewesen, sie meine Ersatzgroßmutter, ich ihr Ersatzenkel. Wir waren als Nachbarn immer füreinander da gewesen, wir waren gleichberechtigte Gesprächspartner und hatten beide für Katie gesorgt. Aber jetzt sorgte ich vor allem für Pearl, ich war de facto ihr Betreuer. Über diese Veränderung war ich alles andere als glücklich.
Pearl hatte ihre Unabhängigkeit verloren. Das machte sie verletzlich und unsere Welt melancholisch. Ich spürte, wie verzagt sie war. Diese Stimmung schien ständig auf ihr und ihrer ganzen Wohnung zu lasten.
Andererseits rührte mich ihr grenzenloses Vertrauen in mich. Wenn sie meinen Namen sagte, mich ansah oder mich berührte, wusste ich, wie sehr sie mich liebte – wie einen richtigen Sohn oder Enkel. Ich war mir nie sicher, ob ich nun das eine oder das andere für sie war, aber auf alle Fälle waren wir eine Familie. Und wie in allen Familien springen die Kinder ein, wenn die Eltern oder die Großeltern alt und gebrechlich werden.
Granny hatte mir eine Handlungsvollmacht gegeben, sodass ich inzwischen ihre Finanzen verwaltete. Ich bezahlte ihre Rechnungen, da ihre Hände so sehr zitterten, dass sie keinen Scheck mehr ausstellen konnte; ich bezahlte Naia und überwachte auch die medizinische Versorgung, wie Granny es in ihrer Vorsorgevollmacht bestimmt hatte. Das waren zwar mehr Pflichten, als mir lieb war, aber natürlich fühlte ich mich auch gebraucht, und es lenkte mich von ihrem immer schlechter werdenden Zustand ab.
Es war schwer,
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