Katja Henkelpott 1 - Katja Henkelpott
Haustür getreten. Nun konnte sie mit eigenen Augen sehen, wie die Vögel für mich arbeiteten.
»Die Amseln und Sperlinge polstern ihre Nester, denn es ist Brutzeit, Katja Henkelpott«, sagte sie und belehrte mich über das Gleichgewicht in der Natur. »Nichts geht verloren, denn die Natur ist klüger als der Mensch, und wenn sie schon mal eine Schweinerei zugelassen hat wie einen Hühnermord, bei dem die Fetzen fliegen, dann schickt sie zur Abfallverwertung die Vögel unter dem Himmel herbei. Ist das nicht wunderbar?«
Und nun geschah noch ein Wunder der Natur. Wir haben keinen Uhrenkasten, in dem sich die Glucke vor dem bösen Fuchs hätte verbergen können. Sie mußte ein anderes Versteck gefunden haben. Nun trat sie um die Ecke und machte sich wichtig, sie tuckerte und kratzte ihren Küken etwas vor. Meine Oma patschte begeistert in die Hände. »Kannst du es schon zusammenzählen, Katja Henkelpott? Eine Glucke mit zwölf Küken und dazu die sieben Hühner aus dem Baum?«
Wir haben wieder zwanzig Rodeländer.
Umweltfreundliche Eier
Als meine Eltern an einem Wochenende endlich zu Besuch nach Pälitzhof kamen, sprang ich meinem Vater an den Hals und ließ mich in der Stube herumtragen. Und weil meine Mutter nicht so stark ist, zog ich sie zu mir herunter, damit ich sie besser küssen konnte.
Meine Oma wischte sich beim Kaffeekochen die Augen. Das verstand ich nicht, denn wir waren eine sehr erfreuliche Familie. Die vier Katzen hatten draußen auf der Fensterbank Platz genommen und blickten in die Stube, und wir hatten am Tisch Platz genommen und blickten hinaus und redeten über das Glück. Mein Vater erzählte, wie schwer es zu finden ist, wenn der Mensch keine Arbeit hat. Er will es mit dem Computer versuchen, der kostet aber dreitausend Mark. Soviel Geld besitzt er nicht. Zum Glück wußte ich, daß meine Großmutter Habenicht eine ganze Menge auf der hohen Kante hat. »Bitte, hol es herunter!« bettelte ich.
Meine Oma war ärgerlich. »Katja Henkelpott«, sagte sie, »du hast zuviel Phantasie, und ich habe zuwenig zurückgelegt.«
»Dann muß ich für euch Geld verdienen«, sagte ich.
Alle lachten und wollten wissen wie.
»Mir wird schon etwas einfallen«, sagte ich zu den Eltern und mußte beim Abschied gar nicht weinen.
Manchmal erzählen sich meine Oma und ich Märchen mit verteilten Rollen. Am Montag, als ich fortging, machten wir’s ebenso. Ich setzte meine rote Mütze auf und nahm den schweren Henkelkorb in die Hand. Meine Großmutter sprach mit feinem Stimmchen: »Also, mach dich auf, ehe es heiß wird, Rotkäppchen. Und lauf nicht vom Wege ab, sonst fällst du und zerbrichst die Eier, und wir haben gar nichts.«
»Ich will es schon gut machen«, versprach ich und gab ihr die Hand darauf.
Der kürzeste Weg zur Bushaltestelle führt durch das Kuschelwäldchen. Da begegnete mir der Fuchs, ehrlich. Er blieb am Wegesrand stehen und sah gar nicht böse aus. Ich sagte: »Hallo, Fuchs! Bestimmt möchtest du wissen, was ich unter der Schürze trage? Es sind Rodeländer Eier. In Wesenberg will ich sie feilbieten. Du hast uns dreizehn Hühner gestohlen. Nun sind wir arm dran, und mein Vater möchte so gerne einen Computer kaufen.« Der Fuchs riß das Maul auf und leckte sich die Lippen. Ich dachte, wer Hühner klaut, der nimmt am Ende auch die Eier und sagte: »Du brauchst mir nichts zu erzählen, daß ich mich umgucken soll nach all den schönen Blumen, und wie lustig es ist haußen im Wald. So dumm wie das Rotkäppchen bin ich nicht. Hau ab!«
Er schnürte beleidigt davon, und ich mußte mich sputen.
Als ich die Eier vor dem Center verkaufen wollte, trat der dicke Chef vor die Tür. Er reckte die Hand aus und rief: »Ambulanter Handel ist vor unserer Ladenkette verboten!« Ich konnte sie richtig klirren hören, seine Kette. Der Mann riß den Mund auf, er hatte schrecklich große Zähne. Er tat, als ob er mich fressen wollte, und schrie: »Hau ab, du unverschämtes Balg!«
Da rief die Frau vom Laden gegenüber: »Dich kenn ich aus der Zeitung. Bist du nicht Katja Henkelpott vom Katzenbaum?« Und als ich nickte, winkte sie. Jetzt biete ich dreimal in der Woche vor ihrem Laden meine Ware feil. Wenn ihr vorbeikommt, achtet bitte auf das Schild: »Umweltfreundliche Eier, naturbraun, echt Ost.«
Die Storchenhochzeit
Wenn ich mich beim Baden abstoße und mache die Arme lang und strecke die Beine aus, kann ich eine ganze Weile auf dem Wasser des Pälitzsees schweben. Fliegen geht so ähnlich. Ich
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