Katrin mit der großen Klappe
bestellen?!“
„Ich?!“ Katrin war so entsetzt
hochgesprungen, daß sie an den Tisch gestoßen hatte und das Wasser, mit dem sie
ihre Malkastenfarben verdünnt hatte, über den Rand des Glases geschwappt war.
„Wie käme ich denn dazu?!“
„Dann erkläre mir bitte, wie
deine Freundinnen dazu kommen, bei Weikerts zu läuten!“
Katrin hatte sich von ihrem
ersten Schrecken erholt. „Woher wollen Sie überhaupt wissen, daß es meine
Freundinnen sind?“ Sie ging zum Spülstein, holte ein Schwammtuch und wischte
das vergossene Wasser vom Tisch. „Kennen Sie die denn?“
„Ich kenne dich“, sagte Anette
giftig, „und da fällt es mir nicht schwer, mir vorzustellen, wie deine
Freundinnen aussehen müssen.“
Katrin warf ihre schwarze Mähne
in den Nacken. „Na, dann beschreiben Sie sie doch mal!“
„Was sollte das nutzen!? Du
würdest ja doch alles leugnen.“
„Meine Enkelin lügt nicht“,
erklärte Frau Bär mit Nachdruck. Anette steckte sich ihr weißes Häubchen
zurecht. „Entschuldigen Sie schon, wenn ich da anderer Meinung bin.“ Sie drehte
sich um und stöckelte zur Küchentür.
„Anette!“ rief Katrin. „Bitte,
bleiben Sie doch noch einen Augenblick...“
„Um mir deine Frechheiten
anzuhören?“
Katrin sprang auf und lief
hinter Anette her. „Was haben Sie den Mädchen gesagt?“
Anette zog spöttisch die
gezupften Augenbrauen hoch. „So? Das interessiert dich also auf einmal doch?“
„Bitte, Anette, was haben Sie
ihnen gesagt?“
„Daß sie sich nach Hause
scheren sollen.“
„Und? Sonst?“ fragte Katrin,
und mit sichtlicher Überwindung fügte sie hinzu: „Über mich?“
Anette verzog den Mund. „So
interessant bist du gar nicht, daß ich mich mit fremden Leuten über dich
unterhalten würde!“
Sie hatte den Satz noch nicht
zu Ende gesprochen, als der Hund anschlug. Einen Atemzug lang hielten sich alle
mucksmäuschenstill. Das Bellen des Hundes wurde immer wütender.
„Auch das noch“, schimpfte
Anette. „Kastor wird die Gnädige wecken!“
Sie sauste aus der Küche, und
Katrin rannte hinterher.
„Katrin, bitte, denk dran, du
darfst nicht...“, rief die Großmutter ihr nach.
Aber da war es Katrin schon
selber wieder eingefallen, daß es ihr verboten war, die hochvornehmen Räume der
Familie Weikert, der die Villa am Heckenrosenweg gehörte, zu betreten. Sie zog
eine Grimasse und ging die wenigen Stufen zu der kleinen Hintertüre hinauf, die
auf den Hof und den Wäschetrockenplatz führte.
Als sie hinaustrat, sah sie
gerade noch Kastor, den Anette aus der Terrassentür herausgelassen hatte, wie
einen roten Blitz über den Rasen fliegen.
Katrin mußte an sich halten, um
nicht hinter ihm her zu laufen, aber auch das Betreten des Gartens war ihr
nicht erlaubt.
Kastor bellte wie verrückt
gegen die Gartenmauer. Sein Gebell erklang von der Stelle herüber, wo die große
Birke stand. Es dauerte eine ganze Weile, bis er ruhiger wurde. Dann tauchte er
zwischen den Büschen auf und rannte zurück.
Katrin pfiff. Nicht laut, aber
ganz hoch. Sie kannte Kastors feine Ohren und wußte, daß er es hören würde.
Er verhielt einen Augenblick,
stellte die Lauscher hoch. Katrin pfiff noch einmal, Kastor änderte seine
ursprüngliche Richtung und lief auf sie zu. Als er näher kam, sah sie, daß er
etwas Helles in der Schnauze trug.
„Kastor, gib!“ befahl sie.
„Bitte, gib!“
Kastor legte das Helle, was er
in der Schnauze gehabt hatte, gehorsam vor Katrins Füße, hockte sich selber
dahinter, die Vorderläufe ausgestreckt, wedelte mit dem Schwanz und sah sie aus
seinen klugen Augen an, als wenn er ein hohes Lob erwartete.
Katrin tat ihm den Gefallen.
„Brav“, sagte sie, „brav, Kastor, das hast du großartig gemacht! Braver Hund!
Da wird sich das Herrchen freuen!“
Sie sah, daß das Helle ein
Fetzen Stoff war, hob ihn auf — es war ein sauberes Dreieck aus Baumwolle, weiß
mit blauen Blümchen, offensichtlich aus einer Mädchenschlupfhose gerissen.
Katrin ließ den Fetzen blitzschnell in ihrer Hosentasche verschwinden.
Jetzt war ihr vollkommen klar,
was passiert war: Die Mädchen, die vorne am Gartentor geläutet und nach ihr
gefragt hatten, mußten ihre Klassenkameradinnen gewesen sein. Damit nicht
genug, hatten sie nachher noch versucht, über die Mauer in das Weikertsche
Grundstück einzuklettern. Das war schlimm, und es durfte auf keinen Fall wieder
vorkommen, denn Herr Weikert würde ohne weiteres der Großmutter kündigen, wenn
er sich durch Katrin
Weitere Kostenlose Bücher