KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)
noch gefehlt.
»Wie stellst du dir das denn vor? Wenn ich einen Hund wollte, würde ich mir einen kaufen.«
»Brauchst du nicht, kriegst ja einen geschenkt!«
»Klar, und dann auch noch so einen mickrigen.«
»Gottfried ist nicht mickrig. Du willst mich wirklich ärgern, oder?«
»Vanessa!« versuchte ich es noch einmal auf die ruhige, etwas pathetische Art, mit der Erwachsene Kindern gegenüber ihre aufkommende Panik zu vertuschen suchen. »Ich wohne nicht in einem so bescheidenen Refugium wie du, sondern in einem noch viel bescheideneren, und zwar in einer ziemlich kleinen Mietwohnung.«
»Ach, Gottfried braucht gar nicht so viel Platz, weißt du!«
»Na ja, so gesehen vielleicht von Vorteil, dass er so mickrig ist.«
»Ach Arno, jetzt hör’ aber auf!«
Vanessa beugte sich langsam zu Gottfried herunter, klappte sein rechtes Ohr hoch und flüsterte etwas hinein. Der Hund nahm das Gesagte aufmerksam zur Kenntnis, guckte mit feuchten Triefaugen zu ihr hoch und verschwand.
Ich sah zuerst überrascht dem Hund hinterher, dann in Vanessas Gesicht. Oh nein, zwei dicke Tränen liefen über ihre Wangen. Eigentlich hätte es mir egal sein können. War es aber nicht, denn dafür waren wir uns nicht fremd genug. Ich hätte sie jetzt gerne in den Arm genommen und getröstet. Ging aber nicht, denn dafür waren wir uns nicht nahe genug.
»Ich habe noch einen zünftigen Grillabend an der Isar bei dir gut«, sagte ich reichlich hilflos. »Als Bezahlung für meine detektivischen Dienste – du erinnerst dich doch, oder?«
»Klar!«, antwortete sie und schniefte dabei gottserbärmlich. »Könnten wir vielleicht in den nächsten Ferien machen, fände ich ziemlich toll.«
»Gute Idee. Abgemacht.«
»Schreibst du mir mal, Arno? Kurze E-Mail oder so?«
»Ja sicher. Aber du musst mir zuerst mailen. Ich bin nämlich faul und benutze am liebsten den Antwort-Button, weißt du?«
»OK.«
»Also Vanessa, dann werde ich jetzt mal gehen. War ein langer Tag für mich.«
Ich stand auf und gab ihr die Hand.
»Arno ...?«
Ich war schon an der Küchentür und drehte mich noch einmal zu ihr um. Alleine an dem großen Tisch sah sie klein und verletzlich aus. Von dem arroganten Teenager, der mich an meinem ersten Arbeitstag in meiner Detektei aufgesucht hatte, war in diesem Moment nichts mehr übrig.
»Ja?«
»Ach, nichts.«
»Also dann: Du schickst mir dann bald eine Mail und erzählst mir, wie es denn so ist, in deinem Internat, ja? Und wenn du wieder in München bist, machen wir was aus wegen der Grillerei und so, in Ordnung?«
»Mach’ ich.«
Auf dem Gartenweg zur Straße musste ich höllisch aufpassen. Die Lappésche Kathedrale lag jetzt komplett im Dunkeln. Schlechtes Timing oder Sparmaßnahmen.
Ich schloss meinen Volvo auf, startete den Motor und schaltete die Scheinwerfer ein. Und dann dachte ich, ich sähe nicht recht: Keine zwei Meter vor der Motorhaube saß – Gottfried. Seine Augen reflektierten das Scheinwerferlicht, was aussah, als wäre sein Dachstübchen von jemandem bewohnt, der bei Dunkelheit zwei flackernde Karbidlampen vor die beiden Glotzluken hängte.
Also legte ich den Rückwärtsgang ein, wandte mich um und setzte zurück. Als ich mich wieder nach vorne drehte, um den Hund in einer eleganten Ausholbewegung umfahren zu können, saß Gottfried erneut im Scheinwerferkegel. Genau wie vor dem Manöver, keine zwei Meter von der Motorhaube entfernt und blinzelte mich mit seinen Funzelaugen an.
»Warte, mein Junge, so ja nun nicht«, sagte ich und wiederholte die Prozedur. Mit dem gleichen Ergebnis: Gottfried saß vor meinem Auto und ich konnte nicht vorbei. Es war ein Spiel, das uns beiden ungeheuren Spaß machte, ihm allerdings doch wesentlich mehr als mir. Deshalb gab ich nach dem fünften Anlauf schließlich klein bei, stieg aus und rief ihm zu: »Hast gewonnen, elender Vierbeiner. Ich bin müde und will nach Hause!«
Ob der Hund mich wirklich verstehen konnte? Es machte fast so den Eindruck. Gottfried tänzelte schwanzwedelnd auf mich zu, sprang durch die geöffnete Fahrertür auf den Sitz und danach in einem eleganten Bogen zwischen den Vordersitzen hindurch auf die hintere Sitzbank. Saß da, lehnte sich gemütlich ins Polster und forderte mich auf endlich loszufahren – soweit ich das seinem unverschämten Hundeblick entnehmen konnte.
Also gut. Ich war es leid und wollte endlich hier weg. Wenn es nicht anders ging, notfalls auch mit Hund. Aber wir kamen nicht weit. Denn jetzt tauchte im
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