KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)
und Museen halt so kennt.
Ich ging an den Blumenrabatten vorbei zum Haus, meine alte Aktentasche mit dem unterschriebenen Ehevertrag unter den Arm geklemmt.
Im selben Moment, als ich auf den Klingelknopf drückte, öffnete Frau Lappé die Tür. Wir sahen uns beide gleichermaßen überrascht an. Ich, weil die Tür aufging, obwohl ich noch gar nicht richtig geklingelt hatte, sie, weil ich klingelte, obwohl sie die Tür schon geöffnet hatte.
Maria führte mich in die Küche. Am Kopfende des Tischs saß Vanessa, links neben ihrem Stuhl ein schwarzer Hund, die Schnauze an ihr Bein geschmiegt: Gottfried.
Eigentlich hatte ich ihn mir sehr viel imposanter vorgestellt, war ja schließlich ein Dobermann. Aber nichts da, klein und schmächtig, wie er neben Vanessa saß, schien er eher so eine Art Liliput-Dobermann zu sein, wenn es das überhaupt gab. Auf jeden Fall fehlte ihm jeglicher Anschein von Gefährlichkeit. Im Gegenteil: Er sah ziemlich harmlos aus. Nicht zu übersehen war sein leichter Hang zur Korpulenz, die ich ihm, wäre er mein Hund gewesen, als Erstes einmal gründlich abtrainiert hätte. Soviel stand fest. Ebenso wie ich ihm dieses dämliche, rosafarbene Halsband abgenommen hätte, das er trug. Im Hause Lappé schien man diese Dinger schubladenweise auf Lager zu haben.
»Hallo Arno!«, sagte Vanessa. Dafür, dass sie ihren Hund endlich wieder um sich hatte, schien sie mir ziemlich bedrückt zu sein.
»Hallo Vanessa! Und da haben wir ja auch das Entführungsopfer«, antwortete ich mit Blick auf Gottfried. »Schön dich kennenzulernen, Sorgenkind.«
Gottfried guckte mich an, stellte seine abgeknickten Ohren auf und parkte sie nach ein paar Sekunden wieder in Ruheposition. War anscheinend seine Art, jemandem lässig zuzuwinken, der ihn nicht sonderlich interessierte, zu dem er aber auch nicht unhöflich sein wollte.
»Setzen Sie sich, Herr Katz. Möchten Sie etwas trinken?« fragte mich Frau Lappé.
Auf dem Tisch standen zwei Gläser, eines mit Rotwein, das andere mit Orangensaft gefüllt. Ich deutete auf das Glas mit dem Wein. »Gern. Einen klitzekleinen Schluck Rotwein vielleicht.«
Ich setzte mich neben Vanessa. Maria nahm ein Glas aus dem Schrank, füllte es mit Wein und stellte es vor mich hin, bevor sie mir gegenüber Platz nahm. So saßen wir da, ein gleichschenkeliges Dreieck vollendeter Harmonie. Wir drei tranken uns zu. Der Wein schmeckte erstklassig, schwer und erdig.
»Und? Erzählen Sie, gab es gar keine Schwierigkeiten mit meinem Mann in Zürich?« fragte Maria.
»Nein, ging alles ganz erstaunlich glatt über die Bühne.«
Ich nahm den Vertrag mit der wertvollen Unterschrift aus meiner Aktentasche und legte ihn auf den Tisch.
»Tja, das wäre es dann wohl, im Großen und Ganzen«, fuhr ich fort. Nicht sehr geistreich, zugegeben, aber etwas Besseres fiel mir in diesem Moment nicht ein. Kam bisweilen schon mal vor.
»Gute Arbeit, Herr Katz, wirklich ausgezeichnet. Vielen Dank! Und, was hat mein Mann jetzt vor? Will er sich wirklich nach Brasilien absetzen?«
Statt zu antworten, sah ich Vanessa an. Was konnte ich erzählen? Wie viel wusste das Kind?
»Wir können offen über alles reden, Herr Katz. Vanessa und ich haben nämlich in der Zwischenzeit endlich das gemacht, was Frauen sowieso am besten können: Wir haben miteinander geredet und wir haben dabei auch eine Übereinkunft erzielt.«
»Schon mal ein guter Anfang, finde ich.«
»Ja, das finden wir auch.«
Vanessa schwieg, den Mund fest verschlossen und leicht vorgewölbt durch die Zahnspange, was ihrem Gesicht einen Ausdruck zwischen wilder Entschlossenheit und kindlichem Schmollen verlieh.
»Soweit ich es mitbekommen habe, ist ihr Mann tatsächlich auf dem Weg nach Südamerika«, sagte ich. »Aber was er da genau vorhat, hat er mir leider auch nicht verraten. Hab allerdings auch nicht gefragt, wenn ich ehrlich sein soll.«
Glatt gelogen. Natürlich hätte ich ihr etwas Genaueres über Jüjüs neue Flamme – von wegen: »die Frau, die mich wirklich liebt« – erzählen können, von seinen umfangreichen Freizeitplänen, von alledem, was er glaubte, in den letzten Jahren vermisst zu haben und nun endlich nachholen wollte. Tat ich aber nicht, denn was hätte das schon für einen Sinn gehabt? War doch alles schon verfahren genug. Und traurig irgendwie auch: Familie endgültig kaputt, Vater endgültig weg – das ganze Lappésche Lebensmodell nur noch ein Haufen Edeltrümmer. Reichte irgendwie. Da musste ich nicht noch eins
Weitere Kostenlose Bücher