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Katz und Maus

Katz und Maus

Titel: Katz und Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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mit Mittelscheitel in den Nacken legte, der die Zunge ausfahren ließ und in dieser Haltung jene lebendige Maus freigab, die ich mit der Hand hätte fangen können, so schutzlos war das Tierchen unterwegs. Aber vielleicht merkte Joachim Mahlke, daß sein Blickfang frei lag und ruckte. Womöglich half er durch übertriebenes Schlucken nach, um die Glasaugen der seitlich stehenden Jungfrau zu ködern; denn ich kann und will nicht glauben, daß Du jemals auch nur das Geringste ohne Publikum getan hättest.

V
    In der Marienkapelle habe ich ihn nie mit Puscheln gesehen. Immer seltener, obgleich sich die Schülermode erst voll zu entfalten begann, kam er mit den Wollbällchen. Manchmal, wenn wir zu dritt unter immer demselben Kastanienbaum des Pausenhofes standen und über wollenen Unsinn hinweg durcheinander sprachen, nahm Mahlke sich die Puscheln vom Hals, um sie unentschlossen und in Ermangelung besserer Gegengewichte, nach dem zweiten Pausenzeichen wieder zur Schleife zu binden.
    Als zum erstenmal ein ehemaliger Schüler und Abiturient unserer Schule von der Front zurückkam, unterwegs dem Führerhauptquartier einen Besuch abgestattet und nun den begehrten Bonbon am Hals hatte, rief uns, mitten im Unterricht, ein besonderes Klingelzeichen in die Aula. Wie nun der junge Mann am Kopfende des Saales, vor drei hohen Fenstern, vor großblätterigen Topfpflanzen und dem Halbkreis des versammelten Lehrerkollegiums, nicht etwa hinter dem Katheder, sondern mit dem Bonbon am Hals neben dem altbraunen Kasten stand und über unsere Köpfe mit kleinem hellrotem Kußmund hinwegsprach, auch erläuternde Bewegungen machte, sah ich, wie Joachim Mahlke, der eine Reihe vor mir und Schilling saß, seine Ohren durchsichtig werden, hochrot anlaufen ließ, sich steif zurücklehnte, dann links rechts mit Händen am Hals nestelte, würgte, endlich etwas unter die Bank warf: Wolle, Puscheln, die Bällchen, grün rot gemischt, glaube ich. Und der da seinen Mund anfangs etwas zu leise aufmachte, ein Leutnant der Luftwaffe, sprach stockend, auf die sympathisch unbeholfene Art und errötete mehrmals, ohne daß seine Rede den Anlaß gegeben haben konnte: ». . . nun müßt Ihr nicht denken, das läuft wie ne Kanickeljagd, mit drauf und los und hastenichjesehn. Oft wochenlang nichts. Aber als wir an den Kanal – dachte ich, wenn hier nicht, dann nirgends. Und es klappte. Gleich beim ersten Einsatz kam uns ein Verband mit Jagdschutz vor die Nase, und das Karrussel, sag ich, mal über mal unter den Wolken, war perfekt: Kurvenflug. Ich versuche mich höherzuschrauben, unter mir kreiseln drei Spitfire, schirmen sich ab, denke, war doch gelacht, wenn nicht, stoße steil von oben, hab ihn drinnen, und da zeigt er schon Spuren, kann noch gerade meine Mühle auf die linke Tragflächenspitze, als ich auch schon eine zweite im Gegenkurs kommende Spitfire im Visierkreis, halte auf Propellernarbe, er oder ich; na, wie Ihr seht, er mußte in den Bach, und ich dachte mir, wenn du schon zwei hast, versuch es doch mal mit dem dritten und so weiter, wenn nur der Sprit reicht. Und da wollen sie auch schon unter mir, sieben im aufgelösten Verband abschwirren, ich, immer die liebe Sonne hübsch im Rücken, picke mir einen raus, der bekommt seinen Segen, wiederhole die Nummer, klappt auch, zieh den Knüppel nach hinten bis zum Anschlag, als mir der Dritte vor die Spritze: schert nach unten aus, muß ihn erwischt haben, instinktiv hinterdrein, bin ihn los, Wolken, hab ihn wieder, drück nochmal auf die Tube, da routiert er im Bach, aber auch ich bin kurz vorm Badengehen; weiß wirklich nicht mehr, wie ich die Mühle hochbekommen habe. Jedenfalls als ich bei uns zu Hause angewackelt komme – wie Ihr sicher wißt oder in der Wochenschau gesehen habt, wackeln wir mit den Tragflächen, wenn wir was runtergeholt haben – bekomm ich das Fahrwerk nicht raus, klemmte. Und so mußte ich meine erste Bauchlandung. Später, in der Kantine: ich hätte einwandfrei sechs, hatte natürlich während nicht mitgezählt, war natürlich viel zu aufgeregt gewesen, natürlich war die Freude groß, aber gegen vier mußten wir nochmal hoch, kurz und gut: das verlief beinahe wie früher, wenn wir hier auf unserem guten alten Pausenhof – denn den Sportplatz gab es noch nicht - Handball spielten. Vielleicht wird sich Studienrat Mallenbrandt erinnern: entweder warf ich kein Tor oder gleich neun Tore; und so war es auch an dem Nachmittag: zu den sechs vom Vormittag kamen noch drei weitere; das

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