Katzendaemmerung
musste. Im Sanktuarium Bastets sitzend konnte ich einfach keinen klaren Gedanken fassen. In jeder Statue, in jedem Folianten steckten ihr Geist und ihre Seele. Es gab für mich nur eine Möglichkeit: Wollte ich jemals wieder auch nur einen Hauch von Frieden und Freiheit verspüren, so musste ich endgültig jene tempelartige Behausung verlassen.
Die Insel Santa Catalina liegt sicherlich nicht am ›Ende der Welt‹. Da mich nach Jahren am Rande der Wüste jedoch alles zur Küste trieb, entschloss ich mich kurzerhand, noch einen kleinen Schritt weiterzugehen. Wahrscheinlich war es der Name des einzigen Hafens der Insel, der mich letztendlich zu meiner Reise nach Santa Catalina bewog: Avalon. Der Legende nach wurde König Arthur nach seinem Tod dort beigesetzt. Avalon – das Königreich der Toten. Da ich selbst nur knapp dem Tode entronnen war und selbst aktiv die Geister des ägyptischen Amenti beschworen hatte, empfand ich das keltische Pendant als äußerst passend für meinen neuen Wohnsitz. In meinem ›Haus des Ka‹ wollte ich den Rest meines kläglichen Lebens für meine Sünden büßen.
Als ich jedoch in San Pedro das Boot bestieg und zwei Stunden später den Hafen erspähte, war ich mehr als überrascht. Ich hatte natürlich kein imposantes Camelot erwartet, allerdings auch keine verträumte Strandpromenade mit viktorianischen Häusern und niedlichen Pferdekutschen. Die Autos auf der Insel konnte man an einer Hand abzählen. Und nirgendwo gab es die nahezu obligatorischen Hochhäuser.
Avalon präsentierte sich mir als ein verträumtes Hafenstädtchen, in dem die Zeit seit mindestens sechzig Jahren stehen geblieben zu sein schien. Noch bevor ich einen Fuß auf Catalina Island setzte, stand mein Entschluss fest. Diese Insel war genau das Refugium, nach dem ich mich gesehnt hatte.
Die Suche nach einem geeigneten Haus erwies sich jedoch als äußerst schwierig. Der S.C. Island Conservancy gehört nahezu die ganze Insel, und die Gesellschaft achtet streng darauf, dass keine neuen Bungalows oder Hotels das Bild der Insel verschandeln. Ich musste schon eine Menge meiner neuen Beziehungen spielen lassen, bis ich endlich ein einfaches Holzhaus in der Nähe von Little Harbour beziehen konnte. Der ehemalige Besitzer war erst kürzlich verstorben. Da der einzige Erbe, ein Winzer aus dem Napa-County, wenig Interesse daran zeigte, auf die Insel überzusiedeln, wurden wir uns schnell handelseinig.
Nun, so glaube ich, habe ich ausreichenden inneren aber auch äußeren Abstand, um die Geschichte fortführen und beschließen zu können. Mittlerweile bin ich auch dazu in der Lage, über die anderen Gründe für mein zögerliches Schreiben zu berichten. Taschas Domizil trifft nicht die alleinige Schuld.
Wenn ich mich nun anschicke, den Faden der Handlung wieder aufzunehmen, so kann ich nicht umhin, meine ganz persönliche Schuld, meinen düsteren Beitrag an den Geschehnissen darzulegen, die noch folgen sollten.
Nur zu gerne würde ich mich als willenlosen Spielball der Götter betrachten, aber so einfach kann und will ich mir die Sache nicht machen. Unbestreitbar übte Bastet vom Zeitpunkt unseres ersten Zusammentreffens an eine große Macht auf mich aus, doch niemals – wirklich niemals – nutzte sie ihre Kräfte dazu aus, um mich in einen wehrlosen Sklaven zu verwandeln. Stets eröffnete sie mir die Möglichkeit (auch wenn sie noch so versteckt war), mich aus ihren Fängen zu befreien. Natürlich nutzte ich diese Chance nie … und wurde dadurch zu ihrem Komplizen. Zu einem Handlanger des Todes.
Ich habe mich seitdem oft gefragt, ob die Grausamkeit der Götter nicht tatsächlich in den Freiheiten besteht, die sie uns so freundlich gewähren. Die Leiden der Menschheit rühren in Wahrheit nicht vom Wirken finsterer Mächte her, sondern von dem, was wir uns in unserer scheinbar so erstrebenswerten Freiheit gegenseitig selbst antun.
Ist es nicht der Teufel, der uns grinsend »Tut, was ihr wollt!« zuschreit? Mehr bedarf es nicht, um sein Reich der Finsternis entstehen zu lassen. Keine ausgesandten Hungersnöte, Erdbeben oder Kriege. Wir Menschen sorgen schon selbst dafür. Man muss sich doch nur die täglichen Nachrichten ansehen, um zu erkennen, wie gründlich wir darin sind. Oh ja! Und nur die wenigsten widerstehen diesem grausigen Treiben. Ich jedenfalls gehöre ganz sicher nicht zu dieser heiligen Minderheit.
Wieder spüre ich, wie ein schmerzliches Lächeln meine Lippen verzieht. Meine Taten dürften mir
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