Katzenjammer
jedenfalls immer ziemlich traurig. Irgendwie bedeutet es, dass man weniger als gar kein Geld hat und nicht mehr so leben kann, wie man eigentlich möchte.«
»Ach so, verstehe.« Das klingt klüger, als es eigentlich ist. Denn ehrlicherweise verstehe ich nicht so recht, was Cherie meint. Ich dachte immer, Menschen leben auf alle Fälle so, wie sie möchten. Sie können es sich selbst aussuchen. Über sie bestimmt doch niemand. Bei uns Haustieren hat letztendlich immer der Mensch das letzte Wort. Wie kann es da sein, dass ein Mensch nicht so lebt, wie er möchte? Wer hat denn dann das letzte Wort? Rätselhaft, das.
»Wie geht es denn unserer Patientin?«, will Carolin von Marc wissen.
»Ich glaube, sie hat alles gut überstanden. Wenn wir in einer Klinik wären, müsste sie in der Überwachungsbox bleiben, und irgendein armer Studierender der Veterinärmedizin würde jede Stunde nach ihr gucken. Aber nachdem ich ja nur eine poplige Kleintierpraxis betreibe – wie meine Exfrau so zutreffend feststellte –, wird Cherie einfach die Nacht mit uns verbringen.«
»Herkules wird es dir danken. Ich habe den Eindruck, dass die beiden gewissermaßen zarte Bande geknüpft haben.«
Marc lacht. »Tja, ein echtes Traumpaar. Schade, dass sie ungefähr doppelt so groß ist wie er.«
Täusche ich mich, oder klingt das abwertend? Warum wird hier eigentlich immer alles an der körperlichen Größe festgemacht? Hat er etwa Cherie beruhigt, als es ihr so schlecht ging? Eben! Ich kann es nur wiederholen: Jemand, der so unsensibel ist, sollte nicht Tierarzt sein. Sondern lieber ein Arzt für Menschen. Die können bestimmt besser damit umgehen.
Anscheinend habe ich geknurrt, denn Cherie stupst mich an. »Hey, alles in Ordnung? Du wirkst auf einmal so übellaunig.«
»Ach nein, es ist nichts.« Hoffentlich hat Cherie Marcs Bemerkung nicht gehört. Das wäre mir irgendwie unangenehm.
»So, Essen ist fertig. Bitte Platz zu nehmen!«
Marc stellt eine große Schüssel mit dampfendem Inhalt auf den Esstisch. Carolin und Luisa setzen sich dazu. Marc füllt den beiden ihre Teller auf.
»Iieh, Papa – was ist denn das für grünes Zeugs an den Nudeln?« Soweit ich das von hier unten beurteilen kann, stochert Luisa wohl wenig begeistert mit ihrem Besteck in den Nudeln herum.
»Das Grüne sind Kapern. Probier doch mal, sehr lecker!«
»Nein, das mag ich nicht. Gibt’s nicht was Vernünftiges?«
»Hey, wie redest du denn über das Essen, das dein Vater dir liebevoll zubereitet hat?« Marc klingt enttäuscht. Aber kann man es Luisa verdenken? Er ist doch selbst schuld, wenn er seiner Familie hier so ungenießbare Dinge vorsetzt. Und apropos: seiner Familie. Was ist eigentlich mit Cherie und mir? Kriegen wir gar nichts? Oder sollen wir etwa auch diese Kapern fressen? Also, über die Versorgungslage im Hause Wagner müssen wir uns nochmal ernsthaft unterhalten. Wenn ich da an Herrn Beck denke, der nun jeden Tag von Nina bekocht wird, bekomme ich glatt noch schlechtere Laune.
»Hast du denn keine Hackfleischsauce, Papa? Mama macht zu Spaghetti immer Hackfleischsauce. Die schmeckt viel, viel besser. Also das hier ess ich nicht. Das ist eklig.«
Luisa schiebt den Teller von sich weg. Marc springt von seinem Platz auf und schiebt den Teller wieder zu ihr hin.
»Verdammt noch mal, Luisa! Du probierst das wenigstens. Ich stell mich doch nicht eine Stunde in die Küche, damit du mir von der tollen Hackfleischsauce deiner Mutter erzählst.« Marc brüllt jetzt richtig, Luisa fängt an zu weinen.
»Marc, nun hör doch auf, das Kind anzuschreien. Du kannst doch niemanden durch Rumgebrüll dazu zwingen, etwas zu essen, was er nicht mag«, schaltet sich Carolin in den Streit ein.
»So, kann ich nicht? Wisst ihr was? Mir ist der Appetit jetzt auch vergangen.« Er dreht sich um und geht aus der Küche. Carolin und Luisa bleiben schweigend zurück.
Cherie schaut mich erstaunt an.
»Auweia! Geht es hier immer so zur Sache? Da lob ich mir doch das Alleinleben – bei uns zu Hause ist es sehr friedlich.«
»Tja, in dieser Konstellation probieren wir es auch noch nicht so lange. Und ich muss sagen: Ich hatte es mir einfacher vorgestellt.«
Carolin steht auf und geht zu Luisas Platz.
»Komm, sei nicht traurig. Dein Vater hatte heute einfach einen sehr anstrengenden Tag. Ich glaube, ihm sind deswegen ein wenig die Nerven durchgegangen. Wenn du möchtest, schmiere ich dir ein Brot.«
Luisa schüttelt den Kopf.
»Nein, danke. Ich versuche jetzt mal
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