Katzenjammer
Überraschung! Komm rein, ich bin mal gespannt, wie es dir gefällt.«
Sie winkt uns ins Wohnzimmer, das nun mit Ninas Sofa und einem einzigen Bücherregal sehr mager bestückt und so kaum wiederzuerkennen ist. Nina und Carolin setzen sich, und ich lege mich auf mein ehemaliges Lieblingsfleckchen vors Sofa. Schon komisch, der Raum ist natürlich derselbe geblieben, aber er riecht schon ganz anders. Eben deutlich nach Nina, auch wenn ich noch eine leichte Note Carolin erschnuppere.
»Willst du vielleicht etwas trinken?«
Carolin schüttelt den Kopf.
»Nee, danke. Ich war einfach nur neugierig, wie meine Wohnung aussieht, wenn sie deine ist.«
»Tja, so richtig viel kann man noch nicht erkennen. Ich hatte zwar längst nicht so viele Kartons wie du, trotzdem habe ich sie noch nicht alle ausgepackt. Wahrscheinlich brauche ich auch noch jede Menge neuer Möbel, meine alte Wohnung war deutlich kleiner als deine. Gut, dass ich deinen Kleiderschrank behalten konnte.«
Carolin lacht.
»Du wirst es nicht glauben. Über das Thema Kleiderschrank hatten wir eben unsere erste kleine Kabbelei.«
»Wirklich? Ich hoffe doch, nicht meinetwegen?«
»Nein, nein. Marc ist nur der Ansicht, dass er sämtliche Klamotten horten muss, die er seit seinem Eintritt in den Stimmbruch angeschafft hat. Also, da sind Sachen dabei – unglaublich. Aber wir haben im Schlafzimmer keinen Platz für einen weiteren Schrank, und deswegen muss er jetzt mal ausmisten, sonst passen meine Sachen da definitiv nicht rein.«
»Aha. Also zeigt Marc eindeutiges Revierverhalten.«
»Ist das die Diagnose der Psychologin?«
»Gewissermaßen.«
Revierverhalten. Das klingt für mich endlich mal nachvollziehbar, und jetzt verstehe ich auch, warum die Stimmung im Schlafzimmer eben so angespannt war. Sein Revier muss man natürlich verteidigen, das leuchtet jedem Hund sofort ein. Nicht umsonst habe ich vor noch nicht allzu langer Zeit als Welpe eifrig das Beinchenheben geübt. Das ist nämlich gar nicht so einfach, wie es aussieht. Aber sehr, sehr wichtig. Eine eindrucksvolle Duftmarke zu setzen ist eben die effektivste Methode, das eigene Revier zu kennzeichnen. So weit, so gut. Eine Sache gibt mir dennoch zu denken: Warum verteidigt Marc das gemeinsame Schlafzimmer gegen Carolin? Also gewissermaßen gegen sein eigenes Weibchen? Das macht aus Hundesicht nun überhaupt keinen Sinn. Es gilt zwar, das Revier von lästiger Konkurrenz freizuhalten, die Mitglieder des eigenen Rudels sind aber willkommen. Insbesondere die Weibchen. Im Grunde genommen veranstaltet der Rüde den ganzen Zirkus doch nur für die Hündin. Ob bei Menschen auch Paare miteinander konkurrieren können? Und falls ja, um was? Es ist und bleibt rätselhaft mit diesen Zweibeinern.
Während ich noch darüber sinniere, ob Marc Carolin demnächst auch den Zugang zum Kühlschrank erschweren könnte – denn schließlich geht es da ums Futter! –, gibt Nina ein paar praktische Tipps, um das Kleiderschrank-Problem aus der Welt zu räumen.
»Vielleicht schmeißt du seine Sachen einfach heimlich weg oder spendest sie der Kleiderkammer, wenn er in der Praxis ist?«
Für meinen Geschmack ein etwas simpler Plan. Dass Marc das nicht merkt, halte ich für geradezu ausgeschlossen. Auch Carolin scheint nicht überzeugt.
»Also, das klingt doch etwas rabiat. Ich setze lieber erst einmal auf Freiwilligkeit. Marc hat versprochen, radikal aufzuräumen, bis ich wieder zu Hause bin.«
»Dann lass dir lieber ein bisschen Zeit. Musst du heute nochmal in die Werkstatt?«
»Wo ich gerade hier bin, schau ich mal kurz nach der Post. Ansonsten hatte ich mir die Tage für den Umzug eigentlich freigehalten.«
Wenn Carolin in die Werkstatt möchte, kann ich bestimmt noch ein Weilchen im Garten verbringen. Nicht, dass sich da nun fremde Hunde aus dem Park breitmachen, Stichwort Revierverteidigung. Direkt an den Garten hinterm Haus grenzt nämlich ein Park, und manchmal verirrt sich der ein oder andere Artgenosse auf die falsche Seite des Tors, das unseren Garten vom Park trennt. Da kann ich gleich mal nach dem Rechten sehen und Besuchern nötigenfalls freundlich, aber bestimmt, klarmachen, wer hier Herr im Haus beziehungsweise Hund im Garten ist. Außerdem schwirrt Herr Beck bei dem schönen Wetter bestimmt auch irgendwo durch die Gegend, und mich würde interessieren, wie er die letzten beiden Tage so verbracht hat. Mit Sicherheit ist ihm ohne mich entsetzlich langweilig.
Von der Werkstatt aus führt eine
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