Katzenjammer
Bisher funktioniert unser Plan: Der Mann hat das Fehlen der Tasche noch nicht bemerkt und versucht inzwischen, mit seinen durch die Hemdsärmel geschützten Händen Beck von dem Fahrradreifen zu ziehen. Verdeckt durch die Sträucher, laufe ich immer weiter von den beiden weg.
Ich renne mittlerweile so schnell, wie ich es mit einer Tasche im Maul eben kann. Einfach ist das nicht, mein Nacken ist schon ganz steif, aber die Angst, erwischt zu werden und eine Riesenmenge Ärger zu kriegen, treibt mich voran. Noch zwei Ecken – dann bin ich endlich im Park vor unserem Haus. Ich halte kurz an und drehe mich um: Niemand folgt mir. Mir fällt ein ziemlich großer Stein vom Herzen, denn wer Hunde mit dem Fahrrad auf die Straße schubst, hat bestimmt auch wenig Skrupel, Dackeln das Fell über die Ohren zu ziehen. Ich hoffe nur, dass die Kuriertasche auch wirklich die Informationen enthält, die wir brauchen. Sonst war alles umsonst.
Am Haus angekommen, schleppe ich die Tasche nicht in die Werkstatt, sondern versteckte sie hinter einem der Blumenbeete. Aus der Werkstatt klingt Musik. Carolin spielt auf einer Geige. Sehr gut. Offenbar hat sie mich noch nicht vermisst. Ich lege mich unter den großen Baum und warte auf Beck. Hoffentlich ist bei ihm auch alles glattgegangen – immerhin tut er das nur mir zuliebe.
Bevor ich mir aber weiter Sorgen um ihn machen kann, kommt Beck schon lässig in den Garten geschlendert. Ein wenig zerzaust sieht er aus, aber alles in allem wie ein strahlender Sieger. Er legt sich neben mich und reckt und streckt sich genüsslich.
»Gut, dass du wieder da bist! Ich hatte schon ein bisschen Angst, dass du mit dem Typen noch mächtig Ärger bekommen hast.«
»Ach was! Mit einem unbewaffneten Menschen werde ich doch leicht fertig. Du solltest den mal sehen – ein paar Schrammen hat er schon abbekommen. Aber nun zum Wichtigsten: Hast du die Tasche?«
»Ja, sie liegt hinter dem Beet.«
»Sehr gut. Dann gibt es jetzt nur noch eine Schwierigkeit.«
»Echt? Welche denn?«
»Wie kriegen wir die Tasche zu Cheries Frauchen?«
Stimmt. Das ist noch ein klitzekleines Hindernis. Ansonsten hat der Plan bisher perfekt funktioniert. Wir haben dem Verbrecher tatsächlich die Tasche geklaut, und nach Becks Kenntnissen von menschlichen Taschen und Koffern dürfte sich darin eine Information über ihren Eigentümer befinden. Wenn Cheries Frauchen also in die Tasche hineinschaut, wird sie herausfinden, wem diese gehört, und sie ihrem Besitzer zurückgeben wollen. Dabei wird sie erkennen, dass sie den Schurken vor sich hat, der den Unfall mit Cherie verursacht hat, und wird ihm das Geld für die Operation abknöpfen. Und Cherie wird mich lieben, weil ich ein Held bin. Es ist einfach eine strategische Meisterleistung von Beck! Auch wenn wir noch nicht ganz am Ziel sind: Ich bin trotzdem stolz auf den Kater.
»Weißt du, Beck, das wird uns auch noch einfallen.«
»Ah, ich mag es, wenn du optimistisch bist.«
»Danke. Und weißt du noch was? Du bist ein echter Freund. Ich bin froh, dass es dich gibt.«
»Wie geht es eigentlich deinem neuen Mitarbeiter?«, will Carolin von Nina wissen, als diese später am Tag auf einen Kaffee in der Werkstatt aufkreuzt.
»Och, ich glaube, ganz gut.«
»So, glaubst du.«
»Ja«, erwidert Nina knapp. Das ist ungewöhnlich. Normalerweise redet sie doch gerne über Männer.
»Du musst ihn jetzt eigentlich gut behandeln, sonst nennt man das Bossing und ist bestimmt ein Fall für die Gleichstellungsbeauftragte. Nicht, dass die Arbeitsgruppe noch darunter leidet.«
»Ha, ha. Sehr witzig. Woher denn das plötzliche Interesse für meine Arbeitsgruppe?«
»Na, du bist schließlich meine Freundin. Mich interessiert brennend, wie es beruflich so bei dir läuft.«
»Aha. Wie es beruflich läuft. Na klar. Gegenfrage: Wie läuft es denn bei dir so beruflich – mit dem Kollegen Carini?«
»Och. Gut.« Nun ist es an Carolin, einsilbig zu sein.
»Soso. Gut ist gut.«
»Ja. Gut ist gut. Aber was hältst du denn davon, wenn wir uns heute Abend auf ein Glas Wein treffen? Ich habe Marc versprochen, Luisa später vom Flughafen abzuholen, aber danach hätte ich Zeit. Dann könnten wir uns doch mal ausführlich über unser berufliches Fortkommen austauschen.« Carolin grinst.
»Eigentlich eine sehr gute Idee. Aber heute habe ich leider keine Zeit. Bin schon verabredet.«
»Aha? Habe ich da etwas verpasst?«
»Nein. Ein rein geschäftlicher Termin.«
»Abends?«
»Ja. Ein
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