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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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das eigene Gesinde das Messer wetzt, um uns die Kehle aufzuschlitzen? Aber für eine Reform ist es zu spät. Aus Nachlässigkeit, Inkompetenz oder Egoismus hat es keine Verständigung gegeben, und inzwischen ist eine friedliche Lösung in weite Ferne gerückt. Vor etwas über einem Jahr ist in Asturien eine kommunistische Revolution ausgebrochen. Sie wurde erstickt, aber vorher hat es viele Ausschreitungen gegeben, insbesondere gegen den Klerus. Die Mumien der Nonnen wurden ausgebuddelt und geschändet, die Leiche eines der vielen ermordeten Priester wurde zum Gespött der Öffentlichkeit mit einem Schild an den Pranger gestellt, auf dem es hieß: Schweinefleisch zu verkaufen. Diese Taten sind nicht typisch für Kommunisten, und sie gehören keinerlei Ideologie an, Señor Whitelands. Das ist pure Rohheit und Blutrünstigkeit. Dann griffen die Armee und die Guardia Civil ein, und die Repression war grauenvoll. Wir sind wahnsinnig geworden, und jedes weitere Wort ist überflüssig. Unter diesen Umständen bleibt mir kein anderer Ausweg, als meine Familie aus dem Land zu schaffen. Ich habe eine Frau und vier Kinder, zwei Jungen und zwei Mädchen. Lilí ist die Kleinste. Ich bin achtundfünfzig. Noch bin ich kein Greis, aber ich habe viel erlebt und habe gut gelebt. Die Aussicht, umgebracht zu werden, begeistert mich zwar nicht gerade, aber erschrecken tut sie mich auch nicht. Ginge es nur um mich, so würde ich bleiben. Die Vorstellung zu fliehen läuft meinem Charakter zuwider, nicht nur, weil das ein Akt der Feigheit ist, sondern wegen etwas mehr. Spanien zu verlassen ist, wie einen geliebten Menschen in der letzten Phase einer unheilbaren Krankheit allein zu lassen. Tun kann ich nichts, doch ich gehöre ans Krankenbett. Aber meine Familie braucht mich. Pragmatisch gesehen, ist ein toter Held etwa so nützlich wie ein toter Feigling.»
    Er stand brüsk auf, tat einige Schritte im Arbeitszimmer und streckte die Arme aus. «Ich habe viel geredet und bitte Sie um Entschuldigung. Meine Sorgen haben nichts mit Ihnen zu tun. Aber ich wollte Ihnen zeigen, dass ich kein Kunstspekulant bin. Und in letzter Zeit habe ich nicht oft Gelegenheit zum Reden. Die Meinen halte ich von diesen Dingen möglichst fern, und mit Außenstehenden ist es nicht mehr dasselbe. Sie haben Angst, ihre Meinung zu äußern – vom Preisgeben ihrer Pläne ganz zu schweigen. Es gibt keine Freunde mehr, nur noch Gesinnungsgenossen.»
    Bei der Andeutung, jemand könnte die noblen Sicherheitsvorkehrungen seines Gastgebers falsch interpretieren, setzte der Engländer zu einem wirren Protest an. Anthony Whitelands gehörte natürlich nicht dazu. Doch bevor er diese Erklärung abgeben konnte, erfüllte das melodiöse Läuten eines Glockenspiels die bläuliche Luft des Zimmers. Der Herzog von Igualada stand auf, als gehörte er zum selben Uhrwerk, und rief mit heiterem Gesicht: «Gelobt sei das Heilige Sakrament – halb zwei, und wir hier mit unserer Plauderstunde! Die Zeit verfliegt, mein Freund, vor allem in Gesellschaft eines alten Causeurs und eines freundlich-verständnisvollen Zuhörers. Wie auch immer, es darf nicht sein, dass wir uns an die Arbeit machen, wenn rechtschaffene Christen essen. Das verschieben wir auf einen geeigneteren Zeitpunkt. Bis dahin wäre es mir eine Ehre und ein Vergnügen, wenn Sie den Imbiss mit mir und meiner Familie teilen würden. Natürlich nur, wenn Sie keine anderweitige Verpflichtung haben.»
    «Überhaupt nicht, aber ich möchte mich keinesfalls in Ihr Familienleben hineindrängen.»
    «Unsinn, mein Lieber! In diesem Haus ist alles erlaubt, außer sich zu zieren. Und lassen Sie sich durch diesen alten Kasten nicht beeindrucken – Sie werden sehen, dass wir einfache Leute sind.»
    Ohne eine Antwort abzuwarten, zog er an einer von der Decke hängenden Kordel mit Troddel, und nach einer Weile stürzte der Butler ins Arbeitszimmer und fragte hastig, ob er etwas für den Herrn Herzog tun könne. Dieser erkundigte sich, ob Señorito Guillermo zurückgekommen sei. Der Butler hatte ihn nicht gesehen.
    «Schon gut», sagte der Hausherr ungeduldig, «lassen Sie ein weiteres Gedeck auflegen. Und das Essen soll pünktlich um halb drei serviert werden. Wenn Señorito Guillermo noch nicht zurück ist, wird er aufgewärmt essen müssen, was noch da ist. Und sagen Sie der Frau Herzogin, dass wir den Aperitif im Musikzimmer nehmen. Guillermo», sagte er mit nicht sehr überzeugender Strenge, nachdem sich der Butler mit den Anweisungen

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