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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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habe. Ich wollte dich nicht beleidigen.»
    «Oh, es ist nicht beleidigend, Leslie Howard zu gleichen.»
    Das Mädchen errötete und ließ seine Hand los.
    «Lilí, lass Antoñito in Ruhe seinen Sherry trinken», sagte die Herzogin.
    «Sie belästigt mich nicht», sagte er und errötete seinerseits.
    Ein hageres, finster und ein wenig beschränkt wirkendes Dienstmädchen krähte, das Essen sei bereit. Sie stellten die Gläser hin und gingen zum Speiseraum. Ganz unprotokollarisch gesellte sich Paquita zu Anthony und hakte ihn unter. «Verstehen Sie wirklich so viel von Malerei?», fragte sie von ganz nahe. «Mögen Sie Picasso?»
    «Oh», sagte er hastig, durch diesen Frontalangriff ein wenig aus der Fassung gebracht, «Picasso ist zweifellos sehr talentiert. Aber ehrlich gesagt, wirklich warm werde ich bei seinen Werken nicht, wie überhaupt bei moderner Malerei. Ich verstehe den Kubismus und die Abstraktion unter technischem Gesichtspunkt, aber ich weiß nicht, wohin das noch führen soll. Wenn denn Kunst überhaupt irgendwohin führen soll. Mögen Sie die Avantgarde?»
    «Nein, und auch nicht die Retrogarde. Ich gehöre zum musikalischen Teil der Familie. Die Malerei langweilt mich.»
    «Das ist mir unerklärlich. Sie leben doch inmitten von großartigen Kunstwerken.»
    «Sie meinen, ich bin ein verwöhntes Mädchen?»
    «Nein, ich bitte Sie, ich habe nichts dergleichen gesagt. Wie könnte ich mir so was erlauben, ich kenne Sie ja kaum.»
    «Ich dachte, Ihr Beruf sei es, auf Anhieb das Falsche vom Echten zu unterscheiden.»
    «Ach, verstehe, Sie wollen mich auf den Arm nehmen, Señorita Paquita.»
    «Nur ein bisschen, Señor Antoñito.»
    Die Verwirrung des Engländers wuchs. Nach seinen Schätzungen musste Paquita schon leicht das Alter überschritten haben, in dem eine Tochter aus gutem Hause, besonders wenn sie hübsch, intelligent und charmant ist, geheiratet hat oder wenigstens verlobt ist. Andernfalls pflegen sich solche Frauen, wie offensichtlich hier der Fall, scheinheilig oder übertrieben nonchalant und unabhängig zu geben, um keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass sie freiwillig ledig geblieben sind. Deshalb rätselte Anthony, was die Ursache für den spöttischen Ton der attraktiven jungen Frau sein mochte, in deren Begleitung er nun in das prächtige Esszimmer des Hauses trat.
    Die Tafel bot bequem dreißig Gästen Platz, aber jetzt lagen bloß an einem Ende sieben Gedecke auf. Über dem Tisch hingen zwei Lampen und an den Wänden alte Porträts; ihnen wandte Anthony, die rätselhafte Frau, die ihn hänselte, einen Augenblick sich selbst überlassend, seine Aufmerksamkeit zu. Fraglos war es eine Galerie von Vorfahren, die von den Höflingen des 17. Jahrhunderts in Van-Dyk-Manier bis zur papierenen Künstlichkeit des beginnenden 20. Jahrhunderts reichte. Als er sie so betrachtete, stellte Anthony erneut fest, dass sich die spanische Aristokratie nie zu den manieristischen Exzessen des übrigen Europas hatte hinreißen lassen. Hochmütig und standhaft hatten ihre Vertreter Putz und Schminke und vor allem die riesigen Perücken von sich gewiesen, die schlecht zu ihren dunkel-asketischen, grimmigen Zügen passten. Sie hatten sich bestenfalls das Haar zu einem Schopf im Nacken gebunden und waren so ungehobelt und zerlumpt wie Stallburschen geblieben. Jetzt bewunderte Anthony diese vornehme Unnachgiebigkeit, und als er im Geist die süßlichen englischen Porträts von Gecken in besticktem Gehrock mit roten Pausbacken und schulterlanger Perücke mit den plumpen, verhärmten, schmutzigen, aber zutiefst menschlichen, starken Figuren Goyas verglich, wurde er in der Überzeugung bestärkt, auf der richtigen Seite zu stehen.
    Die fünf setzten sich so zu Tisch, dass noch ein Stuhl mit Gedeck für den abwesenden Bruder sowie ein weiteres links von der Herzogin frei blieben. Diese überprüfte, ob alles so war, wie es zu sein hatte, und gab ihrem Mann ein Zeichen. Der senkte zustimmend den Kopf. Alle außer Anthony Whitelands taten es ihm gleich, und der Herzog segnete die Speisen, die sie zu sich nehmen würden. Als er zu Ende war und die Köpfe sich wieder hoben, fragte Lilí, ob die Protestanten ebenfalls den Tisch segneten. Ihr Vater tadelte sie für ihre Taktlosigkeit, doch der Engländer antwortete freundlich, die Protestanten seien dem Gebet sehr zugetan und läsen immer und überall in der Bibel. «Aber den Tisch segnen wir Anglikaner nie – und zur gerechten Strafe isst man in England sehr

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