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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Anlauff
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leeren Augen vorwurfsvoll anstarrten. Er hatte auf einen ruhigen Büroposten gehofft, bei den Eigentumsdelikten oder in der Vermisstenstelle, wo er seine inzwischen recht erkleckliche Erfahrung hätte einbringen können. Leichen störten seinen Schlaf. Den seines Vorgängers offenbar auch, weshalb er spontan beschlossen hatte, in Frührente zu gehen. Oder hatte er Krebs? Liebermann erinnerte sich nicht mehr an die Einzelheiten des Telefonats.
    An einem leichten Druck auf den Schläfen merkte er, dass seine Gedanken sich wieder einmal in einer Schleife festrannten. Mit einem Ruck löste er sich daraus und stellte fest, dass der Stammtisch inzwischen die Ebene der Anekdoten und Legenden erreicht hatte. Moritz berichtete eben von einem traumatischen Erlebnis, das ein gewisser Andi unlängst im Park gehabt hatte. Das Trauma eines anderen kam Liebermann gerade recht.
    »Weglaufen kam nicht in Frage«, sagte Moritz, »denn dannhätte das Vieh ihn mit Sicherheit verfolgt, und nicht auszudenken, was dann passiert wäre. Also hat er die Zähne zusammengebissen und abgewartet, und dann kam’s …«
    Er machte eine Pause, bis Nico höflich fragte: »Was?«
    Moritz kratzte sich am Kinn. »Ich hab’s auch erst nicht glauben wollen – nicht, dass ihr denkt, ich fall auf jeden Blödsinn rein. Andererseits ist Andi nicht hell genug, sich solche Geschichten auszudenken … Also, er meint, nachdem das Vieh eine Weile geheult hatte, begann dicht neben ihm plötzlich noch eins. Und dann noch eins. Da hat er’s mit der Angst gekriegt. Er dachte, der erste hätte sein Rudel zusammengerufen.«
    »Rudel wovon?«, fragte Liebermann.
    Die Köpfe des Stammtisches wandten sich ihm zu.
    »Wölfen«, sagte Ralph. »Darum geht’s doch die ganze Zeit. Außerdem kenn ich außer Wölfen keine Tiere, die in Rudeln leben. Du etwa?«
    »Hunde«, antwortete Laura, die unbemerkt an den Tisch getreten war. In ihrem Gefolge befand sich ein junger Mann, den alle außer Liebermann zu kennen schienen, denn man nickte ihm freundlich zu. Da die S-Bahn-Bänke besetzt waren, zogen die beiden sich Stühle heran und verschwanden in Richtung Tresen.
    »Ich wusste nicht, dass Laura einen Freund hat«, sagte Liebermann.
    »Fürs Erste hat sie nur einen neuen Mitbewohner«, erwiderte Ralph grinsend. »Eigentlich wollte sie eine Frau, aber es haben sich nur Jungs auf die Annonce gemeldet. Laura hat sich für David entschieden. Und ich glaube, er ersetzt Estrella ganz passabel.«
    Liebermann sah zur Bar, wo eine schwarzhaarige junge Frau mit den beiden schwatzte. Es war noch nicht direkt ein Bauch, was sich unter Estrellas engem Kleid abzeichnete, und die kritischen drei Monate waren kaum vorbei, aber trotzdem war sie vorkurzem zu Jürgen, dem Katinka-Wirt gezogen, um, wie sie gemeint hatte, »von eins nicht gleich auf drei zu fallen«. Wie es aussah, eine weise Entscheidung, jedenfalls strahlte Jürgen seitdem wie ein Honigkuchenpferd und wachte besorgt über Estrellas keimende Rundungen.
    »David forscht über Stadtteile, in denen die Einwohner wechseln«, sagte Moritz, offenbar aus dem Bedürfnis heraus, sich mal wieder ins Spiel zu bringen.
    »Nicht wechseln, sondern verdrängt werden«, verbesserte Ralph. »Durch steigende Mieten. Man nennt es Gentrifizierung.«
    »Und davon kann einer leben?«, fragte Liebermann.
    »Darum geht’s nicht. Ich kenne einen, der sich mit Leib und Seele dem Restaurieren alter Kinokarten verschrieben hat. So etwas ist nicht zum Broterwerb gedacht, es ist eine Berufung.«
    »Er jobbt nebenbei«, meinte Moritz.
    »Halt den Mund!«, sagte Ralph.
    »Warum? Ist doch nichts dabei.«
    »Wobei«, fragte Liebermann.
    »Dass David in der Aphrodite arbeitet. Als Massageproband, der Glückliche. Ich hätte mich auch nicht lange bitten lassen, wenn mich einer gefragt hätte.«
    Ralph knallte sein Glas auf den Tisch. »Erst einer, dann zwei, und plötzlich haben sie das ganze Viertel am Strapsband.«
    »Sie kommen zurück«, murmelte Nico. »Macht mit den Wölfen weiter.«
    Moritz griff hastig nach seinem Bier. »Ja, die Wölfe«, sagte er, als Laura und ihr Mitbewohner sich auf ihre Stühle fallen ließen.
    »Andi bekam einen Schock und lief weg«, erinnerte ihn Liebermann.
    »Gar nicht«, erwiderte Moritz verwirrt. »Er hatte einen Schock und blieb sitzen. Nur deshalb konnte er ja sehen, wie das Aphrodite-Mädchen über den Wolf gestiegen ist.«
    »Wie bitte?«, fragte Nico.
    »Sie stieg über ihn«, wiederholte Moritz. »Was ist denn daran so

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