Katzenmond
und wandte sich der Treppe zu. Er war zufrieden. Jetzt hatte sie den Dämlack am Hals. Hauptsache, sie vergaß über ihrer neuen Mutterschaft sein abendliches Schnitzel nicht.
Nico trug das flaumige Knäuel in die Küche, wo Liebermann mit Zyra und Miri am Tisch saß, vertieft in eine Partie »Kakerlakenpoker«. Er verlor so gut wie immer, er war einfach zu langsam für ein Spiel wie dieses. Wenn er sich endlich für eine Taktik entschied, hatten die Mädchen ihn längst durchschaut. Aus diesem Grund, so vermutete Nico, hatten sie Liebermann zu ihrem Lieblingsgegner erkoren.
Als sie das Knäuel neben ihnen absetzte, herrschte eine Sekunde lang Schweigen. Dann runzelte Liebermann die Stirn, und die Mädchen brachen in Entzücken aus, das auch das Kätzchen wieder an seine Stimmbänder erinnerte. Sie schrien um die Wette, bis Nico Einhalt gebot. Die Mädchen verstummten, die Katze schrie weiter. Nico strich ihr mit dem Finger über den Rücken.
»Was ist das?«, fragte Liebermann.
»Eine Katze. Serrano hat sie gebracht.«
»Serrano?«
Zyra machte Anstalten, nach dem kleinen Gast zu greifen, aber Nico legte schützend eine Hand um seinen gesträubten Buckel. »Es ist völlig verängstigt. Und Hunger hat es auch.«
»Ich hole Milch!«
»Nein. Katzen vertragen keine Kuhmilch, und so kleine schon gar nicht.«
»Soll sie etwa verhungern?«
»Sie?«, fragte Liebermann.
Ein kurzer Blick brachte Auskunft.
»Soll er verhungern?«, verbesserte sich Zyra.
Zu viert saßen sie um das schwarze Wesen, aus dem weiterhin die jämmerlichen Töne flossen.
Nach einer Weile stand Nico auf. »Irgendwo hab ich noch ein paar Proben Pre Aptamil. Vielleicht nicht die optimale Lösung, aber besser als nichts. Pass auf, dass die Mädchen den Kleinen nicht zerdrücken!«
Liebermann nickte verdrossen. Er schob Miri eine Kakerlake hin, die sie nicht beachtete. Wenn ihn nicht alles täuschte, ging dieser Tag gerade den Bach runter.
Als die Milch wohltemperiert auf einer Untertasse schwamm, stellte sich heraus, dass ihr Gast nichts damit anzufangen wusste.
Nico verschwand erneut und kehrte mit einer Babyflasche zurück.
»Wahrscheinlich ist der Sauger zu groß. Aber wir kriegen das schon hin. Nimm den Kleinen in die Hand und heb seinen Kopf an, dann kann ich ihm ein paar Tropfen ins Maul träufeln.«
Widerwillig hob Liebermann den erstaunlich weichen und gewichtslosen Körper des Kätzchens auf. Nadelfeine Krallen bohrten sich in seine Haut. Das Kätzchen schrie um sein Leben. Als der erste Tropfen Milch sein Maul traf, verstummte es. Eine rosa Zunge erschien und begann erst zögernd, dann hastig zu lecken. Der nächste Tropfen.
»Na also«, sagte Nico zufrieden. Und an Zyra gewandt: »Dann zeig mal, wie gut du dich als Mutter machst.«
»Ich bin auch seine Mutter«, sagte Miri.
Liebermann hob zum Protest an, verstummte jedoch angesichts ihres seligen Lächelns.
Nach der Fütterung machten sich Nico und die Mädchen daran, ein Nest für den Eindringling zu bauen. Das war der Name, den Liebermann dem Kater im Stillen gegeben hatte. Er hätte ihn auch Dienstagsmörder nennen können, aber er wollte nicht ungerecht sein. Der Eindringling konnte letztlich nichts dafür, dass Serrano ihn angeschleppt hatte.
Er verabschiedete sich mit der Begründung, einkaufen zu fahren. Nico gab ihm einen flüchtigen Kuss und wandte sich wieder einer Kiste zu, die sie eben mit einer Decke auspolsterte. Miri sah nicht einmal auf. In ihrem Schoß schlief der Eindringling, satt und mit der Welt versöhnt.Ein Grund für Liebermann, Laura missmutig zuzunicken, die mit ihrem Wohngenossen die Straße herunterkam, als er aus dem Haus trat. Beide trugen Tischtenniskellen.
Serranos Schwanzspitze lugte hämisch unter dem Flieder hervor.
»Wir sprechen uns noch!«, sagte Liebermann zu ihm.
Laura und David blieben stehen. »Mit wem redest du?«, fragte Laura.
»Mit Serrano.«
»Das ist der Kater seiner Freundin«, erklärte sie David.
»Ob sie noch meine Freundin ist, wird sich zeigen«, meinte Liebermann kühl. »Im Moment jedenfalls kreisen ihre Gedanken um einen anderen.«
Laura wurde rot. »Wie … Aber gestern wart ihr doch noch … Bist du sicher?«
»Ich war dabei, als sie sich gefunden haben.«
»Kenne ich ihn?«, sie schluckte.
»Ich glaube nicht. Es ist ein Kater.«
»Ach so.«
Liebermann zog seine Zigaretten aus der Tasche. »Man sollte Kater nicht unterschätzen, vor allem wenn sie klein sind.«
»Wie klein?«, erkundigte sich
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