Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Anlauff
Vom Netzwerk:
schwer zu verstehen?«
    »Nichts«, murmelte sie mit gebrochener Stimme. »Dein Andi muss eine blühende Phantasie haben.«
    »Wieso?«
    Nico zuckte die Achseln. »Hast du schon mal versucht, dir die Szene, die du gerade beschrieben hast, vorzustellen?«
    »Da sei Gott vor!«, sagte Moritz und hob abwehrend die Hände.
    »Es ginge auch gar nicht. Ein Mädchen besteigt keinen Wolf! Wenn überhaupt, besteigt der Wolf das Mädchen.« Sie machte Laura und David ein beschwichtigendes Zeichen. Dann prustete sie in ihr Glas. Einer nach dem anderen fiel in ihr Gelächter ein, bis auf Liebermann, der sich fragte, ob es nicht doch eine technische Möglichkeit gab, das Unmögliche möglich zu machen. Mit steinerner Miene stand Moritz auf. »Lasst es mich wissen, wenn ihr euch beruhigt habt«, knurrte er und verließ erhobenen Hauptes die Bar.
    Als er weg war, schnappte David nach Luft. »Jetzt hat er eine Rotkäppchen-Neurose.«
    Erstaunt sah Liebermann ihn an. Welche Laune der Natur hatte den jungen Mann nur mit solch einer Stimme geschlagen? Hoch und scharf, dem Schaben von Kreide auf einer Tafel nicht unähnlich. Und darüber hinaus vergessen, ihn mit Farben auszustatten? Neben dem dunklen Ralph wirkte David wie ein Fisch mit bleicher Kammflosse und schilfgesäumten Pfützen anstelle der Augen. Zu allem Übel zog sich von seiner Stirn bis zum Kinn ein Teppich aus graubraunen Sommersprossen. Das einzige Detail, das die unappetitliche Sammlung ein wenig auflockerte, war sein Lächeln. Obwohl leicht aus den Fugen geraten, sickerte es durch die gesprenkelten Züge wie Regen durch ein undichtes Zelt. Nein, umgekehrt, wie Sonne durch ein undichtes Zelt. Liebermann riss sich zusammen, um David nicht mit den Fingerspitzenzu Leibe zu rücken. Wie sah das aus, ein Bulle, der einem Fremden am Mund rumfummelte? Außerdem gab es wichtigere Dinge, die seiner Aufmerksamkeit harrten. Irgendwo in Potsdam mordete jemand, möglicherweise genau in diesem Augenblick und möglicherweise nur aus einem einzigen Grund: um ihm das Leben schwerzumachen.
    Es ist ein enormer Unterschied, ob man als Irgendwer um Informationen bittet oder als ehemaliger Princeps des Reviers.
    Drei Tage hindurch hatte Serrano immer wieder Anlauf genommen, einen seiner alten Bekannten aufzusuchen. Einmal hatte er kurz davorgestanden, den friedlichen Ben rundheraus zu fragen. Ben hätte es ihm sicher erzählt, ohne weiterzutratschen, dass Serrano als Einziger bar jeder Ahnung war. Aber im letzten Moment hatte er das Gespräch in ein Geplauder über das Wetter umgebogen. Selbst dabei hatte Ben allerdings zweimal etwas erwähnt, das mit dem Katzenhaus zusammenhängen konnte. »Schrecklich, das alles.« Und: »Hoffen wir, dass es bald regnet, dann trauen sie sich nicht raus.« Über diese beiden Sätze hatte Serrano sich inzwischen ausführlich den Kopf zerbrochen, jedoch ohne dem Katzenhaus auch nur einen Zentimeter näher gekommen zu sein.
    Als er am Dienstag von seiner Nachmittagsrunde heimkehrte, beschloss er, sich ein Nickerchen zu gönnen und dann bei Maja vorbeizuschauen. Sie sammelte Informationen ebenso erfolgreich wie wollene Handschuhe, sie würde es wissen. Und vor ihr schämte er sich weniger als vor anderen.
    Kurz vor seinem Flieder stoppte Serrano. Täuschte er sich, oder hatte dort im Schatten des Busches etwas gepiepst?
    Er wartete einige Sekunden, dann pirschte er sich vorsichtig an die Quelle des Geräuschs heran. Erneutes Piepsen. Wie vom Blitz getroffen blieb Serrano stehen. Das Piepsen kam ihm auf eine Weise bekannt vor, die ihm nicht gefiel.
    Lieber glaubte er an eine Ratte im Todeskampf. Klangen die nicht so, wenn man sie müde gespielt hatte? Irgendjemand hatte offenbar sein Spielzeug verloren, und es war mit letzter Kraft in den Schatten des Flieders gekrochen. Seines Flieders! Entschlossen, dem Spuk ein Ende zu bereiten, grub sich Serrano in den Busch. Er war noch nicht einmal zur Hälfte drinnen, als sich sein Rückenfell aufstellte. Was da über Bismarcks alte Bastmatte torkelte, war keine Ratte.
    Das Junge machte einen unbeholfenen Satz rückwärts. Im selben Zug ging Serrano einen Schritt vor. Wie redete man mit etwas, das kaum noch den Namen Katze verdiente?
    »Ich bin Serrano. Vielleicht hast du schon von mir gehört?« Sicher, dachte er, falls es sprechende Milchdrüsen gab. Er hatte keine Lust, mit Babys zu reden, er wollte, dass das Ding da schnellstmöglich verschwand. Aber es verschwand nicht. Es stand auf seiner Matte und plärrte. Und

Weitere Kostenlose Bücher