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Katzensprung

Katzensprung

Titel: Katzensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Gibiec
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unauffällig, bis sie Luna wieder im Blick hatte, dann parkte sie den Wagen.
    Luna steuerte auf eine Tischtennisplatte zu, die am Rand der Barmer
Anlagen aufgebaut war. Sie zog ihren Parka aus, nahm Anlauf, stützte sich mit
beiden Armen auf der Tischtennisplatte ab und übersprang sie mit einem weiten
Satz, indem sie die Beine durch die aufgestützten Arme zog. Olga kannte diesen
Sprung, den Katzensprung, Luna machte ihn perfekt. Dann tänzelte sie über die
Straße auf eine mannshohe Mauer zu, die ein Grundstück begrenzte, lief zwei
Schritte an der Wand hinauf, zog sich mit den Armen blitzschnell auf die
Mauerkrone und tänzelte oben entlang, am Ende sprang sie mit einem federnden
Satz auf den Bürgersteig zurück und rollte sich über die Schulter ab.
    Sie wiederholte diesen Ablauf einige Male leichtfüßig und mühelos,
ihr Gesicht war konzentriert und gelöst. Als sie gerade wieder ansetzen wollte,
stürmte aus dem Nebenhaus ein älterer Mann, der mit den Armen fuchtelte und ihr
über die Straße Beschimpfungen zurief.
    »Fick dich!« Luna streckte ihm ihren hochgereckten Mittelfinger
entgegen, nahm ihren Parka und schlenderte davon.
    Olga grinste. Sie hatte das flaue und irgendwie kribbelnde Gefühl,
das sie kannte, wenn sie der Lösung eines Falles näher rückte und noch nicht
genau wusste, warum.
    Später im Büro sah sie sich die Fotos des mutmaßlichen Tatorts noch
einmal an. Ein idyllisches kopfsteingepflastertes Plätzchen hinter dem
Elba-Gelände, die typische alte Wuppertaler Industriearchitektur mit einer
schon etwas angefressenen Backsteinmauer etwa in der gleichen Höhe wie die, die
Luna erklommen hatte.
    ***
    Der Streit, der folgte, als Lepple Trudi und Emilio Sassi nach
der Aachentour zu Hause abgesetzt hatte, übertraf alles bisher Gewesene. Mit
geschwollenen Stirnadern und blutunterlaufenen Augäpfeln presste Emilio den
Geldkoffer an sich und beschimpfte Trudi mit Ausdrücken, von denen dumme Pute
und naive Tussi bei Weitem die harmlosesten waren. Er schnappte und brüllte und
schleuderte schließlich eine Vase in Trudis Glasvitrine; der Knall brachte ihn
etwas zur Besinnung. Trudi stellte sich anklagend vor das zersplitterte Chaos
und kanzelte ihn als gewalttätigen, kriminellen Lügner und Betrüger ab, für den
Begriffe wie Wahrheit, Gerechtigkeit und Gesetzestreue Fremdwörter seien.
    In den Streit platzte Luna, die sich auf dem Absatz umdrehen wollte.
Da baute sich Trudi vor der Wohnungstür auf, kalt und entschieden.
    »Du bleibst hier, aber dein Vater wird gehen«, sagte sie. »Er hat
diesen Schlamassel verursacht, er wird auch die Konsequenzen tragen. Ich möchte
mit dir nicht mehr unter einem Dach leben«, sagte sie zu Emilio. »Du hast alles
zerschlagen, nicht nur diesen Schrank, du hast unser Leben ruiniert. Ich
möchte, dass du gehst, ich möchte endlich in Ruhe mit meiner Tochter leben.«
    »Ihr seid so dumm, so was von verpeilt!«
    Luna schrie und rannte in ihr Zimmer, ihre Eltern hörten sie erregt
sprechen. Sie kramte eine Weile, kam mit dem Laptopkoffer heraus und schnappte
ihren von der morgendlichen Flucht noch gepackten Rucksack. Vor dem
zersprengten Schrank blieb sie stehen.
    »Ihr seid so was von scheiße, so krank, echt, und ihr wollt Eltern
sein. Ich will euch nicht mehr sehen, nie mehr, ich geh zu Oma.«
    Sie verließ die Wohnung grußlos, kam noch einmal zurück an die
Wohnungstür und rief laut, wobei sie Trudi und Emilio keines Blickes würdigte:
»Oma holt morgen den Rest von meinen Sachen mit dem Auto.«
    Die Tür knallte ins Schloss, Emilio zuckte – ausgerechnet seine
Schwiegermutter.
    Er war bleich, alle Energie war aus ihm gewichen. Er setzte den
Geldkoffer auf dem Tisch ab, seine Lippen zitterten, er unterdrückte
Schluchzer. Dann holte er einen Müllbeutel aus der Besenkammer und begann, die
Scherben einzusammeln.
    »Es ist nicht verzeihlich, was wir dem Kind antun«, krächzte er nach
einer Weile, »das können wir nie wiedergutmachen. Du hast recht, ich werde erst
mal gehen. Es ist wahr, Trudi, ich habe dich betrogen, es war was mit dieser
Frau. Ich bin dir untreu gewesen, ich habe gelogen, es war alles nicht in
Ordnung. Aber deshalb bin ich kein Mörder und Gewalttäter, und ich lasse mich
von dir nicht als solchen abstempeln. Und wenn du einem verschwenderischen und
korrupten Staat mein sauer verdientes Geld vor die Füße wirfst, einfach so als
Racheakt, dann habe ich dafür kein Verständnis, kein bisschen.«
    Er räumte das Gröbste weg, bis Trudi

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