Katzensprung
Art. Es war immer ein Riesendrama, und es
wurde von Mal zu Mal schwieriger. Ich habe sie natürlich beschwichtigt und
beruhigt, daraus hat sie wohl geschlossen, dass ich mich irgendwann doch trennen
würde. Ich hatte den Eindruck, dass sie diese Hoffnung bis zum Schluss hegte.«
»Hatten Sie deshalb Schuldgefühle?«
»Logo, was denken Sie denn?«
»Wie oft haben Sie sich gesehen?«
»Am Anfang ein- bis zweimal in der Woche. Mein Mitarbeiter hat mich
abgeschirmt, er hat die Kasse gemacht und die Kneipe abgeschlossen, damit ich
früher gehen konnte.«
»Und dann blieben sie ein, zwei Stunden bei ihr?«
»Eine Stunde Liebe, eine Stunde Streit«, sagte Emilio, »so lief es
ab. Es war sehr anstrengend. Aber es waren zu dieser Zeit auch noch viele
Gefühle da, sie hat mich angemacht, sie war hundertprozentig mein Typ.«
»Wie waren die Gefühle Ihrer Frau gegenüber?«
Emilio zog die Schultern hoch, hilflos und unter Druck. Er schwieg
eine Weile.
»Meine Frau ist meine Frau«, brachte er schließlich hervor, »die
Beziehung zu ihr stand nie in Frage. Im Gegenteil, es hat meiner Ehe Auftrieb
gegeben, ich war gut gelaunt, das Leben war wieder spannend.«
»Und als Ihre Frau auf die Sache kam, kriegten sie von beiden Seiten
Stress?«
»Stress ist gar kein Ausdruck. Es war Hölle und Fegefeuer, ich
konnte mich drehen und wenden, wie ich wollte, eine lief immer Amok. Ich sage
Ihnen, Frau Kommissarin, wenn es eine Strafe für diese Sünde gibt, habe ich sie
bekommen und abgebüßt. Das letzte Jahr war kein Spaziergang für mich. Deshalb
habe ich ja dann auch die Beziehung zu Frau Wenkler beendet oder es zumindest
versucht.«
»In welcher Weise setzte Frau Wenkler Sie unter Druck?«
»Na ja, nicht mehr leben wollen und so weiter, ich würde sie
kaputtmachen und ausnutzen. Sie beschimpfte mich, sie machte mich runter,
Verräter, das letzte Schwein, Dreckskerl, so in der Art, das Übliche, alles
sehr emotional. Und die gleiche Packung bekam ich von meiner Frau.«
»Würden Sie sagen, dass Frau Wenkler suizidgefährdet war?«
»Manchmal ja, vor allem gegen Ende. Sie brauchte den Alkohol wie
manche meiner Gäste. Sie erzählte mir einmal von einem Missbrauch durch ihren
Vater, den sie wohl lange verdrängt hatte. Sie schimpfte auf ihre Familie, sie
war ein tief unglücklicher Mensch.«
»Wenn ich Sie richtig verstehe, neigte Frau Wenkler also durchaus zu
extremen Reaktionen.«
»Ja, im Positiven wie im Negativen. Sie konnte euphorisch und
überschwänglich und sehr witzig sein, das hat mich am Anfang ja auch für sie
eingenommen. Dazu standen die Abstürze in krassem Gegensatz.«
Emilio hatte alles Machogehabe abgelegt – Olga fand ihn ansatzweise
sympathisch und sein Verhalten nachvollziehbar. Sie trank ihren Kaffee aus und
ließ sich ein Wasser geben, das er mit demütigem Blick einschenkte.
»Für heute wäre es das, bis auf das Tattoo, da möchte ich noch mal
einhaken«, sagte Olga. »Haben Sie mitbekommen, dass sie es machen ließ, und
wann war das ungefähr?«
»Ja.« Emilio wand sich und wurde rot. »Vor einem Dreivierteljahr war
das, als meine Frau hinter die Sache gekommen war und ich Ramona deutlich
gemacht habe, dass ich meine Ehe nicht aufgeben würde. Da präsentierte sie mir
das Tattoo, sozusagen als ewige Liebeserklärung. Es war eine hysterische
Aktion, die bei mir natürlich das Gegenteil von dem bewirkte, was beabsichtigt
war.«
Die Tür flog auf. Emilios Mitarbeiter wuchtete Kartons mit
Lebensmitteln herein, und Emilio kam ihm zu Hilfe, froh, der Situation
entrinnen zu können. Olga trank ihr Wasser aus und verabschiedete sich, Emilio
griff nach dem Putzeimer.
Josef Lepple hatte am Vortag mit einem Kollegen der Steuerfahndung
gesprochen, der sich einen entsprechenden Vermerk gemacht hatte. Olga musste
Sassi darauf hinweisen, aber nicht heute.
Draußen war es dunkel, Regen und Wind waren aufgekommen, die das
Laub von den Bäumen peitschten. Sie sprintete zu ihrem Wagen, der an der
Oststraße stand, und sah, wie das Schild »Trudi’s Eck« aufleuchtete und die Tür
geöffnet wurde. Eine Gruppe junger Männer kam über den Wichlinghauser Markt und
steuerte die Kneipe an.
Auf dem Weg zum Präsidium wurde Olga das Bild des traurigen Emilio
nicht los, wie er mit gekrümmtem Rücken seine Kneipe aufwischte, ein besiegter
Matador, ein Häufchen Elend.
Sabberköppe und Saufköppe
In die Fresse, in die Fresse, und noch mal, drauf, drauf.
Sie schlägt so hart sie kann, die Gummipuppe schnellt hin
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