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Katzensprung

Katzensprung

Titel: Katzensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Gibiec
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und her. Den
Front-Kick, den Roundhouse-Kick, den Back-Kick. Zehn Liegestütze und wieder
Schlag, Schlag, Schlag. Gerade mit Führhand, Gerade mit Schlaghand,
Seitwärtshaken, Aufwärtshaken, Faustrückenschlag.
    Sie will sich die eingebrannten Bilder aus dem Kopf schlagen, die
Kette der Vernehmungen, den Erwartungsdruck im Präsidium, das Funkeln der
Brillengläser Fischbeins. Das nagende Gefühl, den richtigen Link vor der Nase
zu haben und ihn nicht öffnen zu können. David Bowie, wieder und wieder hat sie
sich seine Jugendfotos im Internet angeschaut. Kalt und warm zugleich.
Androgyn. Zum Sterben schön.
    Sie tänzelte sich aus und winkte dem Trainer Boris, damit er ihr in
schneller Folge Schlagserien ansagte und sie richtig hochpeitschte.
    Reagieren, unbeirrbar, zielgerichtet.
    Olga hörte, schlug, kickte, sie war schnell, trotzdem wurde der Kopf
nicht leer. Wenn nicht der Fall darin herumspukte, war es Max, auf den sie eine
zunehmende Wut hatte. Er wurde in Oberbarmen gebraucht, eine Erkältung jagte
die nächste, nun war auch noch die Kindsmutter fiebrig. Es wurde also wieder
nichts mit einem gemeinsamen Wochenende.
    Sie wollte sich nicht schon wieder einen Mann aus dem Hirn schlagen
müssen. Sie hatte es auf drei längere Beziehungen im Leben gebracht, die immer
endeten, weil es den einen oder anderen Haken gab. Der Erste wollte rigoros gar
keine Kinder, der Zweite gleich ganz viele und Olga zum Hausmütterchen machen,
bei dem Dritten waren es vielerlei andere Gründe.
    Und nun Max. Sie musste ihn sich aus dem Herzen reißen, am liebsten
sofort, das war besser als ein Frust ohne Ende. Er merkte, dass sie keine Lust
hatte, immer über die kleinen Sabberköppe zu reden, und hielt sich zurück,
dadurch entstand eine Fremdheit zwischen ihnen, die sie nur überwinden konnte,
wenn sie ihn angriff. Sie wollte nicht schon wieder eine Beziehung haben, die
zur Hälfte aus Streit bestand. Vielleicht war es auch ihr Los, allein zu
bleiben, ein Gedanke, der ihr Angst machte.
    »Okay, Olga, das war’s, zwanzig Minuten.«
    Boris kam und schlug ihr in die Hand. »Bist gut in Form, Mädchen,
weiter so. Den Front-Kick kriegst du noch besser hin, der Fuß muss höher.«
    »Ich würde gern mal Parkour trainieren«, sagte Olga, »kannst du mir
ein paar Sprünge zeigen?«
    »Na ja«, sagte Boris, »richtig kann ich es auch nicht. Den
Katzensprung und den Wallflip hab ich schon mal ausprobiert. Du brauchst vor
allem Kraft und Konzentration, du musst mit den Oberschenkeln und mit dem Kopf
arbeiten, du brauchst keinen großen Anlauf.«
    Er stellte zwei hohe Kästen hintereinander, sprang mit aufgestützten
Armen hoch, zog die Beine durch und landete mit beiden Füßen auf der anderen
Seite. Dann visierte er die Wand an, lief sie ein paar Schritte hoch, riss die
Arme empor und kam nach einem Rückwärtssalto wieder zum Stehen. Es hatte
schwierig ausgesehen, er keuchte.
    Olga sah Luna vor sich, die die gleichen Übungen mit Lässigkeit und
Leichtigkeit gemacht hatte. Olga schaffte es gar nicht, sie nahm mehrmals
Anlauf, kletterte aber mehr über die Kästen, als dass sie sprang, schaffte
gerade einen müden Schritt die Wand hoch. Die Mauer auf dem Elba-Gelände tanzte
ihr vor den Augen, das Bohren war wieder da. Der Schlüssel zum Schloss, warum
fand sie ihn nicht?
    Sie wischte sich den Schweiß ab, keuchte, war frustriert. Boris
grinste und sagte, da müsse sie noch was dran tun, gab ihr einen
freundschaftlichen Klaps und ging ans klingelnde Telefon. Er hatte einen
schönen braunen Nacken, seine Muskeln spielten.
    Olga zog Trainingsanzug und Fellweste über und trabte vom Kickboxstudio
ein Stück die Hochstraße hinauf, dann über die Marienstraße bis zur
Schusterstraße, wo Lenka mit Russischem Salat und panierten Schnitzeln wartete.
    Ein zusätzliches Stressthema kündigte sich an, weil in vierzehn
Tagen der achtzigste Geburtstag von Olgas Großmutter Zora in Lenkas Heimatort
Zopot, einem Städtchen in der Nähe von Belgrad, gefeiert werden sollte. Die
Flüge waren schon gebucht.
    So gern Olga nach Serbien fuhr und sosehr sie die Familien ihrer
Eltern liebte, sosehr waren ihr die Einzelheiten solcher Feierlichkeiten
zuwider. Nicht nur die familiären Turbulenzen, die sich unweigerlich
zusammenbrauten, wenn Lenka mit ihren Geschwistern zusammentraf. Lenka
erwartete auch, dass Olga sich in ein elegantes, ihrem eigenen Modebegriff
entsprechendes Kostümchen zwängte, eine üppige Schmuckkollektion anlegte, dazu
farblich passende

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