Katzensprung
Er ist so komisch
geworden, so verschlossen.«
»Kannst du genau sagen, seit wann?«
»Kurz bevor die Sache mit Papa angefangen hat.«
Luna schreckte zusammen, sie merkte, dass sie zu viel gesagt hatte.
Sie zog ihre Knie heran und legte den Kopf darauf, Tränen liefen auf ihre
Schlafanzughose.
»Hast du eine Liebesbeziehung zu ihm?«
»Liebe, ich weiß nicht, was das sein soll. Ich kenne nur die Scheiße
von meinen Eltern, und das ist es ganz bestimmt nicht. Wir schreien uns nicht
an, wir achten uns und lassen uns in Ruhe. Knutschen und der ganze Mist ist
nicht. Wir sind froh, wenn wir zusammen sind, wir sprechen miteinander und
helfen uns und versuchen, die Wahrheit herauszufinden. Wie wir unser Leben so
gut und so richtig wie möglich leben können.«
»Wann siehst du Igor wieder?«, fragte Olga. »Seid ihr verabredet?«
»Weiß nicht«, schniefte Luna, »ich weiß sowieso nicht, ob ich Ihnen
das alles hätte sagen sollen, ich hätte am besten den Mund gehalten.«
Sie legte sich hin und drehte sich zur Wand, ihr Rücken zuckte.
»Deine Mutter macht sich Sorgen, sie möchte dich sehen«, sagte Olga
an der Tür zu dem zusammengerollten Bündel, das nur einen Seufzer von sich gab.
Lunas Großmutter hatte sich Lepple gegenüber abfällig über ihren
Schwiegersohn geäußert, von dem sie offenbar nicht viel hielt. Luna sei jedoch
lieb, sie gebe keinen Anlass zur Klage. Sie sei spätestens gegen vier zu Hause,
dann mache sie Hausaufgaben, abends sitze sie mit der Oma vor dem Fernseher.
Über den entsetzlichen Verdacht gegen ihren Vater wolle sie nicht sprechen. Sie
sei froh, dem Kind einen Schonraum gewähren und es aus diesen Turbulenzen
heraushalten zu können, hatte die Oma gesagt.
Vom Auto aus rief Olga zuerst Fitzer an, der den Zeugen im
Jugendzentrum noch nicht erreicht hatte, dann Stefan Bauer.
»Ich glaube, wir haben was. Sieh zu, dass du die Staatsanwältin und
den Haftrichter zu fassen kriegst. Wir brauchen noch Fitzers Zeugenaussage,
dann müsste es für eine Festnahme reichen.«
Gegen vierzehn Uhr versammelten sich in Bauers Büro Olga, Lepple,
Fischbein und die rothaarige Staatsanwältin Thekla Braun. Sie war bekannt für
ihre Zickigkeit, ihre sorgfältig manikürten leuchtend roten Fingernägel und
einen sarkastischen Ton. Olga fasste die Erkenntnisse des Vormittags zusammen,
und wie erwartet warf Braun schwungvoll ihre Mähne herum und zog skeptisch die
Augenbrauen hoch.
» DNA , Fasern, Zeugen?«
»Wir warten noch auf eine wichtige Zeugenaussage, die Verbindung zum
Opfer«, sagte Bauer. »Der Kollege Fitzer ist dran.«
Olga und Lepple berichteten im Wechsel von dem Gespräch mit dem
Spielhallenbesitzer und mit Luna.
»Ich glaube nicht, dass das Mädchen was mit der Tat zu tun hat«,
sagte Olga, »ihre Einlassung war nach meinem Eindruck glaubwürdig und ehrlich.
Dass sie ausgerechnet mit diesem Jungen zusammen ist, ist natürlich ein Zufall,
der ja schon geradezu grotesk ist.«
»Und Sie sind sicher, dass sie nichts weiß?«
»Sicher kann man nie sein, das wissen wir alle«, sagte Olga, »aber
wie gesagt: Ich konnte keine Widersprüche in ihrer Aussage entdecken. Sie hat
auch nicht versucht, den Jungen zu decken oder etwas zu verschleiern.«
»Dem Spielhallenbesitzer zufolge ist er also clever und muss Geld
haben«, überlegte Staatsanwältin Braun. »Es ist sehr gut möglich, dass er
Kontakte zu Fernfahrern hat, eine Bindung an die Großmutter in Russland ist
vorhanden. Das zusammen ergibt natürlich hohe Fluchtgefahr.«
Sie rief den Haftrichter an und schilderte die Sachlage, ihm
reichten die Fakten für einen Haftbefehl aber noch nicht aus. Er wollte auf die
Zeugenaussage warten.
»Wenn er türmt, übernehmen Sie die Verantwortung.«
Braun drückte wütend das Gespräch weg, raffte ihre Unterlagen
zusammen und verschwand mit Verweis auf einen nächsten Termin.
Olga ging in ihr Büro, um die E-Mails abzuarbeiten, die Nachricht
von Fitzer ließ auf sich warten.
No limit
Trudi hatte einen schlechten Montag. Der Hollandtrip mit
Hakan war eigentlich nett gewesen, sie hatten lange Strandspaziergänge gemacht
und sich zum Teil sehr emotional über ihre gescheiterten Beziehungen
ausgetauscht. Das hatte gutgetan, auch die schüchterne, aber erotische Nacht
mit Hakan in dem spießigen Doppelzimmer des kleinen Hotels, das ihnen der VVV in Bergen aan Zee vermittelt hatte. Sie hatte sich
ihm nicht richtig hingeben können, dazu war er ihr zu fremd, aber er war
freundlich und zärtlich
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