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Katzensprung

Katzensprung

Titel: Katzensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Gibiec
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sagst.«
    »Was soll denn Igor mit der Sache zu tun haben? Ich denke, Sie
suchen den Mörder von dieser … Frau.«
    »Du kennst ihn also?«
    »Ja, klar kenne ich ihn, er ist der beste Traceur, er ist genial, er
ist geil.«
    »Hast du seine Handynummer?«
    »Hat kein Handy.«
    »Warum nicht?«
    »Weiß nicht, steht nicht auf so Zeug.«
    »Wann siehst du ihn wieder?«
    »Weiß nicht. Bin ja krank.«
    »Hast du ihn oft gesehen?«
    »Hm.«
    Olga lief vor Lunas Bett auf und ab, bis das Mädchen sich umdrehte
und sie ansah.
    »Sag mir, was du von ihm weißt, vielleicht kannst du ihm damit
helfen«, sagte Olga eindringlich, »vielleicht vermuten wir was Falsches. Ich
verspreche dir, dass ihm kein Unrecht geschieht.«
    Luna legte sich auf ihr Kissen zurück, putzte sich die Nase und
steckte ein Hustenbonbon in den Mund. Sie sah an die Decke und sprach langsam,
von Schmatz- und Lutschgeräuschen unterbrochen.
    »Er ist pur und rein und stark, er geht seinen Weg. Er beherrscht
seinen Körper, er kann sich konzentrieren wie sonst niemand auf der Welt. Er
läuft jeden Weg, er kennt kein Limit. Er wird mal ein Großer, wie David Belle.
Ich glaube, er ist jetzt schon besser. Das weiß ich von ihm, und dass er süß
ist, er ist der hübscheste und netteste Junge, den ich kenne. Ich bin gerne mit
ihm zusammen.«
    »Woher kennst du ihn?«
    »Nach der Schule habe ich mal gesehen, wie er auf unserer Schulmauer
gelaufen ist, das war so geil, so cool. Da hab ihn gefragt, ob er mir zeigt,
wie man da hochkommt. Es war kurz nach den Sommerferien, seitdem treffen wir
uns. Er zeigt mir alles, es ist so super. Er ist ein guter Lehrer.«
    »Wo trainiert ihr?«
    »Mal hier, mal da, auf Spielplätzen oder stillgelegten
Fabrikgeländen oder den Treppen, oder einfach so in der Stadt. Wir suchen immer
neue Plätze. Er kennt die ganze Stadt, jede Ecke, er läuft alles ab und sucht
die geilsten Hindernisse.«
    Parkour hat das Zeug zu einer perfekten Gegenwelt, dachte Olga, außerdem
hat es das Potenzial, sich zum Rausch und zur Sucht zu entwickeln wie Spielen
oder exzessives Arbeiten.
    »Wie muss so ein Platz beschaffen sein?«
    »Egal, es muss Mauern geben oder Zäune, oder flache Dächer, jede Art
von Hindernis, es können Pfützen, Papierkörbe, Bänke, Blumenbeete oder
Mülltonnen sein. Igor sagt, es kommt darauf an, so viel Unterschiedliches wie
möglich kennenzulernen, damit man jede Möglichkeit erfährt und ausprobiert.
Manchmal läuft man auch nur eine Strecke, weil sie schön und interessant ist
oder einen schwierigen Untergrund hat. Ein paarmal sind wir unten am Wupperufer
entlanggelaufen, da muss man über die Rohre und durchs Gebüsch.«
    »Macht ein Traceur auch sauber, hebt er Müll auf?«
    »Ja, er hat Respekt vor der Umwelt generell und vor jedem Ort, an
dem er sich aufhält. Wenn Igor einen Platz trainiert, läuft er zuerst alles ab
und sammelt ein, was rumliegt, das geht total schnell. Er mag das so, er tut
den Müll in Plastiktüten, er hat immer welche dabei.«
    »Wie oft habt ihr euch gesehen?«
    »Am Anfang jeden Nachmittag bis abends. Meistens hat er
zwischendurch Petar abgeholt.«
    »Und jetzt?«
    Luna hatte ihr Bonbon zu Ende gelutscht und setzte sich auf, ihre
Augen waren weit aufgerissen.
    »Ich will nicht, dass Sie das alles brühwarm meiner Mutter erzählen,
die stürzt sich dadrauf, die will dann wieder jede Einzelheit aus mir
rausquetschen. Ich will ihr das mit ihm nicht sagen, es ist nur meine Sache.«
    »Versprochen«, sagte Olga, »von mir erfährt sie kein Wort. Sprichst
du mit deiner Oma darüber?«
    »Nur, dass da ein Junge ist, mit dem ich trainiere«, sagte Luna
ausweichend. »Sie wollte wissen, warum ich nach der Schule nicht gleich nach
Hause komme. Sie kennt ihn nicht, er war noch nicht hier.«
    »Hat er sich in der letzten Zeit verändert?«
    »Das ist es ja, er sagt mir nichts mehr. Vorher hat er mir alles
erzählt, von dem geilen Flow beim Laufen und allem, was er denkt und fühlt, und
von seiner Großmutter, die in einem Dorf an der Wolga wohnt, da war er als Kind
so gerne. Sie ist krank, er möchte hin, bevor sie stirbt, er möchte bei ihr
sein. Wir haben trainiert, er hat mir die Schritte und Sprünge gezeigt, wir
haben immer geredet. Jetzt holt er mich nur nach der Schule ab und bringt mich
mit der Schwebebahn nach Hause, er ist traurig und weicht mir aus, er ist
angespannt, er sagt, es ist wegen seiner Mutter. Und dann muss er weg zu Petar.
Er sagt, er muss alleine trainieren, es geht nicht anders.

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