Kauft Leute
weil sie verschuldet waren. Wir übernehmen ihre Verbindlichkeiten und geben ihnen die Chance auf einen Neuanfang. Er wird ein Heim bekommen, Verpflegung, Versicherung, Taschengeld und Anschluss an eine Familie. Besser als auf der Straße zu enden …«
»Und er bleibt wirklich … für immer?«
»Wenn Sie mit ihm zufrieden sind, ja!«
»Eine große Verantwortung.«
»Sie wird Ihnen ganz leicht vorkommen!« Lars berührte den Touchscreen des Terminals. »Sehen Sie, er spricht etwas Spanisch, hat Erfahrung als Barmixer und versteht was von Auto-Tuning! Der wird sich auch ohne Sense schnell unentbehrlich machen! Heute Abend ist der weg vom Fenster, da wette ich was. Wollen Sie wissen, wie er heißt, oder würden Sie ihm sowieso einen neuen Namen geben wollen?«
Angela betrachtete den jungen Mann, in den sie sich mit zwanzig bestimmt verliebt hätte, als sie immer auf die gleichen Typen, die an ihren Motocross-Maschinen rumschraubten, reingefallen war, und die Vorstellung, ihm einen Namen geben zu können, war fast zu viel für sie. »Nein, Lars, er kommt für uns wirklich nicht in Frage. Und das ist jetzt keine Sache des Preises, der geht, finde ich, in Ordnung. Aber
hätten
wir Interesse, würde ich ihm schon einen Namen geben wollen, natürlich nur, wenn er nichts dagegen hätte …«
»Das sollten Sie auch tun! Jeden Sonntag findet in einem überkonfessionellen Glaubenszentrum, das wir unseren Kunden empfehlen, eine sehr schöne Taufzeremonie statt, wo unsere Helden in ihr neues Leben übergeben werden. Wenn Sie auf so etwas Wert legen …«
Angela
legte
Wert auf solche Dinge, sie wollte einen Sinn in ihrem Handeln sehen und glaubte an die Kraft von Symbolen und Gesten. Als sie – Jahre vor Patricks Geburt – ihren ersten Sohn im dritten Monat der Schwangerschaft verloren hatte, ließ sie einen Stern im Bild des
Kleinen Hundes
auf seinen Namen taufen, und es tröstete sie, dass der Stern »Lukas Theophil« für immer im Nebel der Galaxien leuchtete. Sie hatte sich damals zwischen zwei Unternehmen entscheiden müssen, wobei das größere mit dem Spruch »Kaufe einen Stern!« warb. Das kleinere aber versprach weniger, es sagte bloß: »
Taufe
einen Stern!«, und führte aus, dass man eigentlich keine Sterne kaufen könne, da sie ja niemandem gehörten, und sie somit auch niemand weiterverkaufen konnte. Das leuchtete Angela ein und sie entschied sich zu taufen, statt zu kaufen. Jetzt daran zu denken, rührte irgendetwas in ihr an, und sie betrachtete den jungen Mann im Fenster mit einer neuen Melancholie, konnte den Gedanken aber nicht zu Ende führen, denn plötzlich begann die Musik.
Eine aufdringliche Melodie, die wie die Untermalung einer Bonusrunde in einem Konsolenspiel klang, zwang die Besucher, ihre Aufmerksamkeit auf eine Box zu lenken, die nun von einem blau leuchtenden Rand umgeben war. Recht schnell fand sich die ursprüngliche Gruppe wieder zusammen, und Lars erklärte seinen Leuten, was hier passierte: »Wir haben Glück, gerade gab es einen Status-Sprung bei einem unserer Helden! Ihr seht die Terminals vor den Boxen? Berührt man den Touchscreen, wird der aktuelle Preis aufgerufen. Umso mehr Leute sich für ein Angebot interessieren, umso höher steigt der Preis. Wenn das Interesse einen kritischen Wert erreicht, passiert genau das hier: Licht geht an, Musik geht los, und alles eilt herbei, als gäbe es Gratis-T-Shirts. Heute gibt es übrigens wirklich Gratis-T-Shirts, aber Cindy hat mir erzählt, die großen Größen sind schon weg. Passt auf mit euren Schnitzeln, Leute!«
Die Gruppe lachte, und die Blicke der Leute suchten und fanden ganz von alleine die an Umfang Reicheren unter ihnen, die auf diese besondere Aufmerksamkeit gerne verzichtet hätten. Bald jedoch zog wieder der junge Mann in der blau leuchtenden Box das Interesse der Besucher auf sich: Er war ein kräftig gebauter, dunkelhaariger Riese, vielleicht Serbe oder Albaner, der mit winzigen Schritten und langsam kreisenden Fäusten einen minimalistischen Freudentanz aufführte und dabei seltsam gütig lächelte.
Lars sprach weiter: »Unser Ivo hier ist ab jetzt ein
Working Class Hero
und sein Kaufpreis wird nun im Rahmen einer Auktion ermittelt, die am Abend des nächsten Werktages endet. Sie sehen also: Wer schnell zuschlägt, kommt billiger weg! Unser Ivo hier wird irgendjemanden aber nicht nur sehr stolz, sondern auch ein gutes Stück ärmer machen!«
Angelas Mann Bernd berührte den Touchscreen. Dort, wo sonst der Kaufpreis
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