Kauft Leute

Mann, der harte körperliche Arbeit nicht nur nicht scheut, er sucht sie geradezu. Ivo stammt aus Montenegro. Er ist auf einem Bauernhof aufgewachsen und hat als Zimmermann gearbeitet. Er ist geschickt und kräftig, und er hat ein angenehmes, genügsames Wesen. Er spricht Deutsch, mit dem man recht weit bei ihm kommt. Er hat auch Sinn für Humor und spielt ein Musikinstrument, eine Art kleine Gitarre. Diese ist ihm wichtig, und eine Grundbedingung ist, dass er dieses Instrument weiterhin spielen darf. Außerdem möchte Ivo in den nächsten Jahren eine Familie gründen, auch dies muss ihm ermöglicht werden. Gut, ich werde ihn jetzt holen und Sie können dann selbst mit ihm sprechen.«
    Der Mitarbeiter von HÜMANIA verschwand im Nachbarzimmer und kehrte wenige Augenblicke später zusammen mit Ivo zurück. Der massige Montenegriner kam mit gemessenen, kleinen Schritten herein, bei denen sich sein ganzer Leib, sein Kopf, seine Schultern, sein Bauch, mitbewegte. Sein Blick war gesenkt, er trug ein Handtuch um die Schultern und eine Cola in der Hand. Er sah etwas erschöpft aus, lächelte aber. Bernd hatte nicht das Gefühl, dass er versuchte, einen umgänglichen Eindruck zu machen, er schien einfach bloß ein freundliches Wesen zu besitzen. Die Männer betrachteten ihn aufmerksam. Ivo nahm schließlich vor ihnen Aufstellung und erwiderte mit gelassenen Zügen die Blicke der Männer. Es entstand eine unangenehme Stille, die vielleicht daher rührte, dass einige der Interessenten noch nie einer Inspektion beigewohnt hatten, und nicht wussten, was von ihnen erwartet wurde. Der HÜMANIA-Inspektor unterbrach die Stille: »Ivo beantwortet jetzt gerne Ihre Fragen.«
    Ein grauhaariger Mann, der einen schweren Ledermantel und einen altmodischen schwarzen Krempenhut, der an einem Bändchen über seinen Schultern hing, trug, rief nach vorne: »Sprich mal was! Erzähl von daheim!«
    Ivo überlegte einige Augenblicke, dann sagte er: »Soll ich von Österreich erzählen? Ich lebe seit 7 Jahren hier,
das
ist jetzt mein Zuhause.«
    Einige der Männer sahen überrascht aus, er sprach bloß mit leichtem Akzent und seine Stimme klang kein bisschen unsicher. Der Mann, der die Frage gestellt hatte, zeigte sich jedoch nicht beeindruckt und erwiderte: »Von deinem Dorf, Bursche, von Montenegro!«
    Ivo antwortete sofort: »Schönes Land! Meer, Berge, Seen, Schluchten – schau ins Internet, Google-Earth, haut dich um!« Viele Männer reagierten mit Gelächter auf Ivos Antwort und auch Bernd musste schmunzeln. Ivo sprach weiter: »Aber als ich jung war, da gab es nix zu arbeiten. Heute kommen die Ökos, die wollen in Holzhütten schlafen und die Wölfe heulen hören und Ziegen melken und all so was. Bessere Zeiten, oder auch nicht.« Ein anderer rief: »Was kannst du denn, Ivo?« Dieser lächelte auf seine hinterhältig gütige Weise und antwortete: »Erst lachen mich die Frauen aus, dann erzählen sie mir alles, und irgendwann werden sie neugierig …«
    Ivo lachte lauthals und die meisten Männer stimmten mit ein. Der Zeremonienmeister von HÜMANIA gab Ivo einen Klaps auf den Oberarm und gab ihm zu verstehen, dass es der Witze nun genug seien. Ivo begann aufzuzählen, auf welche Tätigkeiten er sich verstand. Die Männer nickten befriedigt, denn er schien jede Menge Sachverstand zu besitzen. Auch Bernd war beeindruckt, und er sah nun den Augenblick gekommen, etwas zu fragen: »Bei allen deinen Fähigkeiten, warum bist du dann hier?«
    Es entstand eine andere Art Stille als zuvor, und Bernd begriff sofort, dass diese Frage den Regeln dieses Ortes widersprach. Nur Ivo schien sich nicht daran zu stören und antwortete freimütig: »Wenn du im Februar mit einem geborgten LKW unterwegs bist, solltest du vorher schauen, ob Winterreifen montiert sind und welche Versicherung du hast, sonst große Katastrophe, glaub mir das!« Angesichts dieser launigen Antworten entspannte sich die Stimmung wieder. Der blonde Trachtenträger, der Bernd vorher schon aufgefallen war, rief, Ivo solle mal zeigen, was er habe. Ein anderer verlangte: »Runter mit dem Hemd!« Ivo begann, sein Holzfällerhemd aufzuknöpfen, wobei er einen Striptease andeutete und sich in seinen feisten Hüften wiegte. Als das Hemd offen war, ließ Ivo es lasziv zu Boden gleiten. Männer pfiffen. Bernd wurde schwindlig von dem Geruch von Schweiß und Rauch, der den Raum füllte. Alle starrten auf Ivos enormen Torso, der zu gleichen Teilen von dem Arbeiter Ivo und dem Genussmenschen Ivo