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Kaylee

Kaylee

Titel: Kaylee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Vincent
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Sie hatte etwas zu sagen, da war ich mir ganz sicher.
    Doch sie schwieg beharrlich.
    „Du schläfst wohl nicht viel, oder?” Normalerweise steckte ich meine Nase nicht in anderer Leute Angelegenheiten – schließlich war ich auch nicht scharf darauf, dass mich jemand über meine angeblich so labile geistige Verfassung ausfragte –, aber sie hatte mich am Tag zuvor stundenlang angestarrt. So, als wolle sie mir etwas mitteilen.
    Lydia schüttelte den Kopf, und eine schwarze Haarsträhne fiel ihr ins Gesicht. Sie strich sie wortlos zurück.
    „Warum nicht?”
    Sie blinzelte nur und betrachtete gebannt meine Augen. Mir kam es so vor, als sähe sie darin etwas, das niemand sonst sah.
    Ich wollte sie gerade danach fragen, da bemerkte ich am anderen Ende des Zimmers einen lila Schatten. Es war die Assistentin auf ihrem Routinerundgang, sie hatte ein Klemmbrett in der Hand. Waren etwa schon fünfzehn Minuten vergangen? Gerade, als sie hinausgehen wollte, tauchte Paul im Türrahmen auf.
    „Sie bringen jemanden aus der Notaufnahme her.”
    „Jetzt?”, fragte die Krankenschwester und sah skeptisch auf die Uhr.
    „Ja. Sie ist stabil, und sie brauchen den Platz.” Die beiden gingen hinaus, und mir fiel auf, dass Lydia noch blasser war als sonst.
    Wenige Minuten später hörte ich, wie der Summer für die Eingangstür betätigt wurde und eine Krankenschwester herbeieilte. Ein Mann im grünen OP-Kittel schob einen Rollstuhl mit einem dünnen, müde aussehenden Mädchen herein. Sie trug Jeans und ein lila Krankenhausoberteil, das lange, blonde Haar verdeckte fast ihr gesamtes Gesicht. Die Arme waren von den Handgelenken bis hinauf zum Ellbogen dick verbunden und lagen schlaff in ihrem Schoß.
    „Hier ist ihr T-Shirt.” Der Mann reichte der Schwester eine dicke Plastiktüte mit dem Logo des Arlington Memorial Krankenhauses. „An Ihrer Stelle würde ich es wegschmeißen. Die Blutflecken kriegen Sie mit keiner Bleiche der Welt wieder raus.”
    Neben mir zuckte Lydia zusammen. Sie hatte die Stirn gerunzelt und schien Schmerzen zu haben. Während die Schwester die Neue an uns vorbeirollte, krampfte sich Lydia zusammen und krallte die Hände so fest um die Stuhllehne, dass die Sehnen an ihren Händen hervortraten.
    „Ist alles okay?”, flüsterte ich, als die Schwester mit dem Rollstuhl außer Hörweite war.
    Lydia schüttelte den Kopf, ohne die Augen zu öffnen.
    „Wo tut es dir weh?”
    Wieder schüttelte sie den Kopf, und als ich sie genauer ansah, fiel mir auf, dass sie jünger war, als ich anfangs angenommen hatte. Vierzehn, allerhöchstens. Zu jung, um in Lakeside eingesperrt zu sein, ganz gleich, was mit ihr nicht stimmte.
    „Soll ich jemanden holen?” Als ich aufstehen wollte, packte sie blitzschnell meinen Arm. Sie war viel stärker, als sie aussah. Und schneller.
    Lydia schüttelte den Kopf, die Augen glasig vor Schmerz. Sie stand auf und lief gekrümmt den Flur hinunter, eine Hand auf den Bauch gepresst. Kurz darauf hörte ich, wie sie leise ihre Zimmertür schloss.
    Den Rest des Tages verbrachte ich mit Essen, Vor-mich-Hinstarren und mehr Puzzleteilen, als ich zählen konnte. Kurz nach dem Frühstück trat Schwester Nancy in den Türrahmen und stellte mir eine Unmenge sinnloser und viel zu persönlicher Fragen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich die Nase von den fünfzehnminütigen Kontrollbesuchen und dem Verlust meiner Privatsphäre gestrichen voll.
    Schwester Nancy: „Hattest du heute Stuhlgang?”
    Ich: „Kein Kommentar.”
    Schwester Nancy: „Möchtest du dich immer noch selbst verletzen?”
    Ich: „Das wollte ich nie. Eigentlich gehe ich immer sehr pfleglich mit mir um.”
    Als Nächstes begleitete mich eine Therapeutin namens Charity Stevens in ein Zimmer mit großen Fenstern, von dem aus man die Schwesternstation überblicken konnte. Stevens fragte mich, warum ich mir den Hals zerkratzt und so laut geschrien hatte, dass man damit Tote aufwecken könnte.
    Ich war mir ziemlich sicher, mit meinem Geschrei keine Toten aufwecken zu können, aber als ich ihr das sagte, schien sie es gar nicht lustig zu finden. Ich konnte sie auch nicht davon überzeugen, dass ich mich nicht hatte verletzen wollen.
    Stevens nahm mir gegenüber auf einem Stuhl Platz. „Weißt du, warum du hier bist, Kaylee?”
    „Ja. Weil die Türen abgesperrt sind.”
    Kein Lächeln. „Warum du geschrien hast?”
    Ich schlug die Beine übereinander und berief mich auf mein Recht zu schweigen. Wie sollte ich diese Frage beantworten, ohne

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