Kaylin und das Geheimnis des Turms
er ihr, “das ist alles nur Fassade.”
Sie zögerte.
Teelas Augenbrauen verzerrten sich merkwürdig. “Was ist jetzt?”
“Meine Dolche.”
“Steck sie in … oh, nicht so wichtig. Menschen machen ihre Kleider immer so unpraktisch wie möglich.”
“Soll heißen?”
“Du nimmst sie nicht mit.”
10. KAPITEL
T eela im Inneren einer Kutsche war viel besser als außerhalb, auch wenn Kaylin bemerkte, dass die Barranifalkin stehen geblieben war, um den Pferden etwas zuzuflüstern. Dem Fahrer natürlich nicht, das war unter ihrer Würde. Kaylin hatte die Barrani noch nie ganz verstanden, wenn es um Tiere ging.
Andererseits, wenn sie ganz ehrlich war, hatte sie Barrani bei allen anderen Dingen auch nie so richtig durchschaut.
Andellen und Samaran wählten ihren Platz auf der Rückbank der Kutsche, außerhalb, weit genug entfernt vom Fahrer, um ihn nicht zu erschrecken. Kaylin konnte sie durch die Fenster sehen. Sie waren angespannt und aufmerksam. Wenn sie überhaupt sprachen, dann sahen sie einander dabei nicht an.
Sie drehte sich zu Teela.
“Bekommst du Ärger?”
Teela hob eine dunkle Augenbraue. “Wir gehen in die Hohen Hallen, wie kann ich da keinen bekommen?”
“Ich meinte wegen der Lethe.”
Die blassen, perfekten Züge wurden blasser, was nie etwas Gutes bedeutete. Teela sprach in deutlich betontem Elantranisch. “Das geht mir am Arsch vorbei.”
Und genau deshalb gehörte sie zu Kaylins Lieblingsbarrani.
Sie räusperte sich, selbst in einer Kutsche drang Staub durch die Fenster. “Hast du etwas von dem Zwischenfall im Arkanum gehört?”
“Nein.”
“Es gab einen Brand …”
“Ich sagte, nein, Kaylin.”
“Ach so. Die Art von Nein. Du wolltest mich nicht am Hof haben, was?”
“Gut geraten.”
“Und der Falkenlord schon?”
“Schlecht geraten.”
“Aber ich fahre trotzdem hin, oder nicht?”
“Er wollte dich nicht dort. Er wollte den Kaiser noch weniger verärgern. Nur geringfügig weniger, falls dir das ein Trost ist.”
“Der Kaiser will mich bei Hofe?”
Teela sah zu Severn, der auf eine “Geht mich nichts an”-Art mit den Schultern zuckte. Sie trat ihm auf den Fuß. Was natürlich, verflucht seien diese schmalen, feinen Schuhe, überhaupt keine Wirkung zeigte.
“Kaylin, der Kaiser hat mit der Sache
nicht das Geringste zu tun
.”
“Politik?”
“Jetzt hast du es.”
Politik lag außerhalb von Kaylins natürlichem Lebensraum, weil so viel, was mit Politik zu tun hatte, voraussetzte, dass man mit unverzogener Miene lügen konnte.
“Das lernst du noch”, sagte Severn.”
“Ich weiß nicht, ob ich das will.”
“Wann hatte das je für einen von uns Bedeutung?” Andeutungen von einem Leben auf der anderen Seite des Flusses. Doch sie nickte. “Es ist nicht so viel anders als Gangs”, sprach er weiter und starrte dabei aus dem Fenster der Kutsche. “Der Anführer blickt ständig über seine Schulter und wartet darauf, wer das Messer erhebt, um ihm seine Position streitig zu machen. Wenn er klug und gewitzt ist, kommt keiner, wenn er zu weich oder zu brutal ist, schon. Es ist ein Spiel.”
Dieses Spiel verstand sie.
“Es ist das gleiche Spiel”, fuhr Severn fort. “Nur mit mehr Geld und viel mehr Geschichte und Bildung.”
“Vergiss nicht Geschick”, kam dazu noch von Teela, die irgendwie gelangweilt aussah.
“Severn, hast du
alles
bestanden?”
Er hob eine Augenbraue. “Ich war ein Wolf”, sagte er mit einem Schulterzucken. “Wir haben andere Pflichten.”
“Ihr jagt.”
“Auf Befehl des Kaisers, ja. Aber manchmal, Kaylin, ist das, was wir gejagt haben, nicht weggerannt. Normalerweise, weil es nicht musste.” Es war mehr, als er je zuvor über die Wölfe erzählt hatte.
“Nein”, fügte er hinzu, ehe sie fragen konnte – und sie hatte daran gedacht, verdammter Kerl. “Du würdest keinen guten Wolf abgeben. Die Falken sind anders. Weißt du noch, was wir früher gesagt haben?”
“Es gibt zwei Gesetze.”
Er nickte. “Eines für die Mächtigen und eines für alle anderen.” Er zuckte wieder mit den Schultern. “Es wird immer zwei Gesetze geben.” Aber so, wie er es sagte, stellte es alles auf den Kopf. “Du dienst dem zweiten. Das ist die bessere Arbeit.”
“Sie ist langsamer”, sagte Teela und sah dabei aus dem Fenster. “Aber dort, wo wir hingehen, hat das alles kaum eine Bedeutung.” Sie sah in Kaylins Gesicht, und ihre Augen wurden schmaler, als sie auf das Zeichen von Nightshade fielen. Das wurden sie fast
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