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Kaylin und das Geheimnis des Turms

Kaylin und das Geheimnis des Turms

Titel: Kaylin und das Geheimnis des Turms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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dritt oder zu viert und bewegten sich langsam und graziös, wenn sie sich überhaupt bewegten.
    In der Mitte des riesigen Steinkreises stand ein Sessel, der wie die anderen, die sie gesehen hatte, ein lebendiges Symbol war. Aus ihm wuchsen Zweige, an denen weiße Blumen und goldene Herzen erblühten. Sie saßen wie Zacken auf der Rückenlehne des Sessels und warfen ähnliche Schatten, kleiner als die, die sich höher und höher über allem erhoben, bis sie die Reihe der Bäume durchbrachen, die den Steinkreis umsäumten.
    Auf diesem Thron saß ein Barranilord. Er sprach mit einer Frau, die, in blasses Grün und Gold gekleidet, neben dem Sessel stand, die Arme und Schultern nackt, das blasse Haar zu einem Zopf geflochten, der zu gleichen Teilen aus Haar und Blüten zu bestehen schien. Sie sah jung aus, zerbrechlich, ätherisch. Kaylin musste die Lippen fest zusammenpressen, damit sie nicht den Mund aufsperrte. Sie war die einzige Barrani, die Kaylin je gesehen hatte, deren Haare nicht schwarz waren.
    Das also waren der oberste Lord und seine Gemahlin. Nicht einmal Kaylin hätte sie für etwas anderes halten können. Sie zögerte und fühlte sich so ungemein ungelenk, dass sie sich auf einmal sicher war, sie würde mit einem Schritt in die falsche Richtung Blüten zerdrücken und Steine zerbrechen. Doch Teela bewegte sich mit ruhigem Selbstbewusstsein
auf
den Thron
zu
, und auch wenn es der letzte Ort war, zu dem Kaylin gehen wollte, war es wohl auch der einzige, an dem es ihr gestattet war, sich aufzuhalten.
    Sie wusste es. Und weil sie schon an viel schlimmeren Orten gewesen war – auch wenn sie sich zwingen musste, sich an sie zu erinnern, so weit entfernt schienen sie –, folgte sie Teela und versuchte sich nicht zu fest an Severns Arm zu klammern. Sie war dankbar für die Gegenwart der beiden Barraniwachen, einfach, weil sie Barrani
waren
. Sie hatten ihre Befehle, und sie folgten ihr wie Schatten, von unsichtbarem Licht geworfen.
    Der oberste Lord blickte von seinem leise dahinplätschernden Gespräch auf, und seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Dass das Lächeln seine Augen nicht erreichte, überraschte sie nicht. Wie könnte es? Sie wollte ihre Wange bedecken. Sie wollte auf die Knie fallen. Sie wollte überall sein, nur nicht hier.
    “Anteela”, sagte der oberste Lord und erhob sich von seinem Thron, “wieder beehrst du uns mit deiner Anwesenheit.”
    Teelas Verbeugung war so tief, wie Kaylin es noch nie zuvor bei ihr gesehen hatte. Es fehlten auch die normale Sorglosigkeit und der Sarkasmus. “High Lord”, sagte sie, als sie sich auf ein unsichtbares Signal hin erhob, “ich bringe Euch Gäste, zu Euren Diensten.”
    Sein Blick wanderte an Teela vorbei und ruhte auf Kaylin. Sie fühlte sich, als wäre sie die einzige Person innerhalb des Kreises. Als wäre sie, genau genommen, das einzig Lebendige, das einzig Wichtige. Sein Blick war zu gleichen Teilen grün und blau. Er war hier der Herrscher, und er musterte sie abschätzig.
    Es war bitter, wenn man Erwartungen nicht erfüllte. Aber damit hatte sie eine Menge Erfahrung.
    “Du bist die
Kyuthe
des Lords der Westmarsche”, sagte er. “Meines Sohnes.”
    Sie nickte ungelenk. Leider hatte sie versucht, elegant zu nicken. Teelas Befehl, nichts zu sagen, war überflüssig. Sie hätte nicht sprechen können, selbst wenn sie es gewollt hätte.
    “Und du trägst das Zeichen von Nightshade.”
    Ihre Hand hob sich, um ihre Wange zu bedecken. Doch sie blieb ein Stück von ihrem Gesicht entfernt in der Luft hängen, und sie zwang sich, sie wieder zu senken. Es war schwerer, als ihr eigenes Gewicht zu heben. Was hatte der Lord der Westmarsche gesagt? Unwissen ist keine Entschuldigung.
    “Ich trage das Zeichen von Lord Nightshade”, flüsterte sie verhalten.
    “Komm ins Licht, Kind.”
    Zum ersten Mal seit langer Zeit machte ihr das Wort “Kind” nichts aus. Sie trat ungeschickt um Teela herum, die sich nicht bewegt hatte. Severn kam mit ihr, blieb aber neben Teela stehen. Sie ging an beiden vorbei und blieb drei Fuß entfernt vor dem obersten Lord der Barrani stehen.
    Er hob eine Hand, berührte ihr Kinn, hob es an. So aus der Nähe sah sie, dass seine Augen von goldenen Flecken durchzogen waren und auf ihnen ein Hauch von Braun lag. Er sah ihr nicht in die Augen, er sah auf ihr Zeichen, als könnte er es nur durch seinen Blick verschwinden lassen.
    Er ließ ihr Kinn nicht los, doch er hob seine freie Hand. Sie schwebte neben ihrer Wange, und sie

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