Kehraus fuer eine Leiche
neuen Jahrhunderts, und er könne sie berühmt machen. Er hat sich mit ihr bei der Agentur in Köln zum Fotoshooting verabredet. Pia fuhr hin und total auf den schönen Meier ab. Mehrmals trampte sie morgens nach Köln. Bis die Schule in Sankt Vith wegen ihrer Fehlzeiten bei den Eltern nachfragte. Der Vater hatte sich schon über die vielen Tagesausflüge ihrer Klasse gewundert. Aber nichts konnte Pia dazu bringen, ihm zu verraten, wo und mit wem sie sich herumgetrieben hatte.
Daraufhin hat Paul Prönsfeldt den Viehhandel an den Nagel gehängt, in Belgien alles verkauft und den Gnadenhof eingerichtet. Damit die Mädchen in Prüm zur Schule gingen, sich in ihrer Freizeit unter seiner Aufsicht um Tiere kümmerten und nicht mehr auf dumme Gedanken kämen.
Dass Herr Pee seine eigene Pleite den Töchtern als Erziehungsmaßnahme verkauft hat, will ich gerne glauben. Dennoch werde ich das Gefühl nicht los, dass an Pattis Geschichte etwas nicht stimmt. Sie ist zu glatt vorgetragen, so straff geflochten wie zuvor die Zöpfe. Das passt nicht zu dem verzweifelten Mädchen, das mich zu sich herangewunken hat und zunächst keine Worte hatte finden können. Diesen Text hat sie auswendig gelernt, um ihn bei passender Gelegenheit herunterzubeten. Was natürlich nicht bedeutet, dass er inhaltlich unwahr sein muss.
»Ist Pia denn mit Steffen Meier in Verbindung geblieben?«, frage ich.
Das Gummiband erträgt die Dehnung nicht mehr und reißt.
»Ja«, knurrt Patti. »Über E-Mail. Der Typ hat versprochen, sie hier rauszuholen und mit ihr ein neues Leben anzufangen. Die Pia hat ihm das geglaubt, alles hat sie ihm geglaubt, das dumme Schaf.«
»Du nicht?«
Sie schüttelt langsam den Kopf.
»Der hatte was ganz anderes mit ihr vor. Das Schwein wollte mit ihr richtig viel Kohle machen. Ich bin froh, dass er tot ist.«
Wie Gudrun über den Mord an Wirzig. Den Eifelerinnen auf der Kehr scheinen radikale Lösungen zu behagen.
»Weiß Pia, dass er tot ist?«, frage ich vorsichtig.
Patti schüttelt den Kopf.
»Eben nicht. Das ist ja das Problem.«
»Und woher weißt du es dann?«
»Von Ihnen«, sagt Patti. Sie sieht an mir vorbei, kämmt sich die Haare mit den Fingern und flechtet sie zu einem einzigen seitlichen Zopf zusammen. »Sie haben mir doch von dem Mord erzählt, Frau Klein, der, für den Ihr Auto benutzt wurde. Da habe ich im Internet nachgesehen. Und sein Bild entdeckt. Wir haben ja keine Zeitung. Ich kann es der Pia nicht sagen. Besser, wenn Sie das tun. Damit sie nicht wieder abhaut, für ihn zu suchen. Wer weiß, an wen sie dann gerät. Die Welt ist schlecht.«
Mir brennen viele Fragen auf der Zunge. Woher weiß Patti, wie Steffen Meier aussieht, wenn sie ihn selbst angeblich nie gesehen hat? Warum tat sie bei der Nennung seines Namens so, als sei der ihr unbekannt, wenn sie doch sein mit Namen versehenes Bild im Internet entdeckt hat? Woher will sie wissen, dass Steffen Meier unlautere Absichten hatte? Die wird er wohl kaum in seinen E-Mails erwähnt haben. Ich schlucke diese Fragen runter. Ich habe meine Lektion gelernt. Wenn ich Patti in die Verteidigung dränge, macht sie nur wieder zu.
Also gehe ich auf ihre Sorge um Pia ein. Frage, ob es nicht doch besser wäre, wenn sie ihrer Schwester selbst die furchtbare Nachricht übermitteln würde. Ganz bestimmt könne sie danach Pia in ihrem Kummer besser auffangen als ich, eine fremde Frau, der soeben ein Hausverbot erteilt worden ist.
»Geht nicht«, murmelt Pia. »Dann würde sie ja wissen, dass ich Bescheid weiß. Dann wird sie nie wieder mit mir reden. Sie wird mich hassen.«
Stammelnd gesteht sie, an alle Informationen klammheimlich herangekommen zu sein. Aus Verzweiflung, weil Pia sich so verändert hatte, ihr seit Monaten nichts mehr anvertraute, sie gewissermaßen aus ihrem Leben ausgesperrt hatte. Patti befürchtete, ihre naive kleine Schwester würde in etwas Gefährliches reingezogen werden. Da habe sie Pias Passwort geknackt und den gesamten E-Mail-Wechsel zwischen ihrer Schwester und Steffen Meier gelesen.
»Ein ungeheurer Vertrauensbruch«, tadele ich.
Sie blickt beschämt zu Boden.
»Das würde sie mir nie verzeihen. Und mir die Schuld am Tod dieses Mistkerls geben. Bis der kam, hatten wir nie Geheimnisse. Wir hatten einander. Das hat uns gerettet, nach allem, was wir früher durchgemacht haben. Dass wir über alles sprechen und uns gegenseitig trösten konnten. Wir waren nicht nur Schwestern, Frau Klein. Wir waren beste Freundinnen.«
»Was sie
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