Kehraus fuer eine Leiche
Frauen finden es vielleicht sogar erfreulich, den Herrn im Haus als kleinlauten Bittsteller zu erleben.
»Überhaupt kein Problem«, versichert die Coujon-Spielerin, als ich an den Tisch komme. Sie reißt Gudrun die Serviette aus der Hand, trocknet sich, ohne hinzusehen, den Rock selbst und verrenkt den Kopf, um an meiner Figur vorbeizuschauen. »Kennen Sie die Leute?«, fragt sie mich.
»Nicht wirklich«, antworte ich wahrheitsgemäß. »Ich habe bei ihnen nur ein paar Hühner adoptiert.«
Die Länderspielrunde bricht in schallendes Gelächter aus. »Ach, Frau Klein«, sagt eine belgische Kehrerin mitfühlend, »jetzt leben Sie schon so lange hier …«
»… was gefeiert werden muss«, beende ich den Satz, weil mir plötzlich eine sehr konstruktive Idee kommt. »Ich gebe eine Runde Sekt aus.«
Damit trete ich wieder auf die Pees zu und verziehe das Gesicht zu meinem gewinnendsten Lächeln.
»Pia, Patti, stellt bitte die Eier in die Küche«, sage ich zu den Mädchen. Und zu deren Eltern: »Setzen Sie sich doch!« Ich weise ihnen den nächsten freien Tisch zu. »Der Sekt ist auch für Sie. Um Ihnen zu zeigen, dass ich nicht nachtragend bin. Herzlich willkommen!«
Mein Restaurant ist schon längst geschlossen, als Marcel endlich mein belgisches Bruchsteinhaus betritt.
»Ich habe dir etwas zu sagen«, beginnt er.
»Und ich dir etwas zu zeigen«, erwidere ich. Er folgt mir ins Wohnzimmer. Ich deute auf den Eichentisch. Marcel betrachtet die vier einzeln in Gefriertüten eingewickelten Sektgläser.
»Ich habe sie beschriftet«, erkläre ich stolz. »Auf jedem findest du Fingerabdrücke und DNS eines Mitgliedes der Familie Pee.«
Er zieht mich an sich und küsst mich.
»Ach, Katja«, sagt er, »die liegen uns schon längst vor.«
»Auch die von den Mädchen?«, frage ich, von Nachricht und Begrüßungskuss gleichermaßen überrascht.
»Ja, auch die habe ich aus Heerlen bekommen. Weil sie ihnen in Köln abgeholt wurden. Vor acht Jahren.«
Ich glaube, mich verhört zu haben.
»Fingerabdrücke von Pia und Patti?«
Marcel nickt unglücklich.
»Wieso das denn?«, frage ich empört. »Da waren die beiden doch noch kleine Kinder!«
»Das ist ja das Schlimme.«
16_ABGRÜNDE
Montagmorgen
Der unübersehbar wieder verjüngten Dame im Empfangsraum der Kölner Agentur gelingt es nicht, ihr gebräuntes Gesicht in jene Falten zu legen, die ihrem betrübten Blick anstünden.
»Wie bedauerlich, dass sich Désirée umentschieden hat«, flötet sie. »Aber warum teilt sie uns das nicht selbst mit?«
»Weil ihre Eltern mich bevollmächtigt haben, ihre Interessen wahrzunehmen«, flunkere ich. »Sie steht bei Ihnen schließlich nicht unter Vertrag.«
Ich kann diesen Ballon ungefährdet steigen lassen, da Herr und Frau Pee mit Sicherheit einen solchen Vertrag nicht unterschrieben hätten.
»Da irren Sie sich aber gewaltig«, tönt die Dame. »Ohne Vertrag dürften wir das Mädchen überhaupt nicht in unserer Kartei führen und Kunden anbieten.«
»Alles nicht rechtsgültig«, erwidere ich gelassen. »Désirée ist erst siebzehn. Haben Sie sich den Ausweis nicht zeigen lassen?«
Das kunstvoll modellierte Gesicht verschwindet hinter einem Monitor. Wenig später höre ich tiefes Ausatmen, das in einen Triumphseufzer mündet: »Wir sind eine seriöse Agentur! Sehen Sie selbst.«
Ich sehe die eingescannte Kopie eines Personalausweises, bei dem nur das Foto und das Geburtsland Belgien mit der Wahrheit übereinstimmen dürften.
Auch das sollte mich nach Marcels gestrigen Enthüllungen über Pias und Pattis bewegte Vergangenheit nicht wundern. Wobei noch unklar ist, ob es sich um einen einmaligen Vorgang handelt, wie Marcel sich ausdrückte.
Die Kölner Polizei hatte vor acht Jahren die Angelegenheit unter diesem Begriff abgebucht. Danach die neunjährige Pia und die zehnjährige Patti wieder der Obhut des Landes Belgien übergeben. Dessen Polizei hatte wiederum die Eltern angemahnt, besser auf ihre Kinder aufzupassen.
Pia und Patti waren bei einer Razzia in einem illegalen Kölner Bordell aufgegriffen worden. Der Vernehmung nach waren die Kinder noch am selben Tag von zu Hause ausgerissen und nach Köln getrampt. Dazu passte die Vermisstenanzeige, die ein sehr verstörter Paul Prönsfeldt in jener Nacht bei der belgischen Polizei aufgegeben hatte.
Paul und Petra Prönsfeldt hatten eine Entschuldigung für ihre Unachtsamkeit: Sie waren damals wegen eines mysteriösen Todesfalls in ihrer Nachbarschaft selbst ins Visier
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