Kehraus fuer eine Leiche
ein Auslaufmodell.
»Was aber hoffentlich nicht seine Funktion beschreibt?«, frage ich.
Wie immer braucht Jupp eine Weile, um den Witz zu verstehen. Und wie immer lasse ich sie ihm.
»Nein, ich habe ihn einmal laufen lassen«, erwidert er ernst, als er endlich begreift. »Der Jacuzzi ist wirklich ganz dicht. Alles funktioniert. Aber er verbraucht nicht nur Strom. Du musst dir ein Messgerät kaufen, für den pH-Wert richtig einstellen zu können, damit du die richtige Menge an Tabletten reintust, für die bakterielle Belastung niedrig zu halten, pH-Senker, pH-Heber, Flüssigkeit für die Flocken zu binden …«
»Aufhören«, bitte ich ihn. Technische Einzelheiten interessieren mich jetzt nicht. Ich möchte mich in frischer Luft im warmen Bad entspannen. Wie ich es sauber halte, kann er mir später erklären. Er verspricht, in den nächsten Tagen genügend Waldarbeiter-Kollegen aufzutreiben, um mir mein Traumbad herbeizuschaffen. Schlägt vor, den Schuppen hinter meinem Haus abzureißen und das Fenster vom früheren Arbeitszimmer meines Bruders zu einer Tür umzubauen, damit ich nach dem Bad gleich ins Haus hineinkönne und nicht frierend drum herumlaufen müsste.
Ich nicke die gute Idee ab. Und würde zu gern wissen, weshalb ein so unbedeutender Gegenstand zu einem solch leidenschaftlichen Streit geführt haben soll. Das passt weder zu Jupp noch zu Hein. Da aber offensichtlich wieder Frieden eingekehrt ist, bezähme ich meine Neugierde.
Ich stelle eine andere Frage.
»Wie hattest du dir das mit dem Whirlpool für mein Restaurant eigentlich vorgestellt, Jupp? Sollen die Gäste vor oder nach dem Essen nackig darin herumplanschen?«
»Doch nicht nackig!«, ruft er. Empört sieht er mich an. »Das Ding steht draußen! In der freien Natur! Du willst da doch auch nicht nackig reingehen, oder?«
»Oder«, sage ich und lasse ihn stehen.
Der Abend bringt eine große Überraschung. Ich traue meinen Augen kaum, als kurz nach Eröffnung die Familie Pee eintritt. Fein herausgemacht. Jede Tochter trägt ein Eiertablett, Frau Pee eine bemüht freundliche Miene und ihr Mann einen großen braunen Umschlag.
»Ich möchte Sie in aller Form um Entschuldigung bitten, liebe Frau Klein«, begrüßt mich Herr Pee. »Was müssen Sie nur von uns denken! Das war alles ein fürchterlicher Irrtum. Wir haben zurzeit einige Sorgen, und darum ist in meinem Haus wohl überreagiert worden.«
Ich sehe Frau Pee an, die meine von Hein frisch gewienerten Dielen bewundert. Mein Blick geht zu den Mädchen. Beide Eiertabletts zittern leicht.
»Jedenfalls war das alles nur ein Missverständnis«, fährt der Mann fort. »Ich habe Ihnen einen neuen Patenschaftsvertrag mitgebracht.« Lächelnd wendet er seine Habichtsnase den Töchtern zu. »Diese Eier schenken wir Ihnen … als Wiedergutmachung.«
Bei seinem letzten Wort zucke ich zusammen, denke an Mathilde Quirk, die mit ihrem gebrochenen Bein, und an deren Sohn David, der mit Kopfverletzungen im Krankenhaus liegt. Und frage mich, inwieweit der Mann vor mir an letzterem Zustand schuld sein könnte. Steffen Meier, Pia, David und Reinhold Wirzig: Was verbindet diese vier Menschen?
»Frau Klein?«, fragt Paul Prönsfeldt. Zum ersten Mal höre ich so etwas wie Unsicherheit in seiner Stimme. Klar, auf meinem Terrain bin ich der Boss, Herr Pee.
Gudrun, die sonst als Teller-Balanciererin im Zirkus auftreten könnte, verschüttet etwas Suppe auf den Rock einer Coujon-Spielerin. Die Damen der Kehr haben sich wegen der unguten Ausdünstungen gegen den Raucherraum entschieden und tragen jetzt ihr sonntägliches Länderturnier in einer Ecke meines Restaurants aus. Die Beschüttete bemerkt das Unglück erst, als Gudrun ihr und dem Fleck mit einer viertel Flasche Soda zu Leibe rückt. Die Coujon-Spielerinnen standen bis dahin gänzlich im Bann der interessanten Vorführung am Eingang. Keine will sich den Auftritt der seltsamen Leute von dem seltsamen Gnadenhof entgehen lassen. Endlich mal was los auf der Kehr! Ich beneide die Frauen, die ahnungslos in diesem Mördernest leben. Das nasse kalte Soda hat die Haut der Kartenspielerin erreicht. Sie schreit.
Hochroten Kopfes entschuldigt sich Gudrun, wischt mit ihrer Serviette an dem Fleck herum und sendet mir einen verzweifelten Blick zu.
»Entschuldigung«, sage ich zu den Pees. »Ich bin gleich wieder da.«
Irgendwie befriedigt es mich, diesen Mann einfach stehen zu lassen. Um den Rest der Familie sorge ich mich nicht. Diese an Demütigungen gewohnten
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