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Kehrseite der Geschichte unserer Zeit (German Edition)

Kehrseite der Geschichte unserer Zeit (German Edition)

Titel: Kehrseite der Geschichte unserer Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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zwölfhundert Franken... Ach, Herr Gottfried, reden wir nicht von der unglückseligen Affäre meines August. Ich segne ihn jeden Morgen um dieser Tat willen, die sein Großvater ihm immer noch nicht verzeihen kann! Seine Mutter segnet ihn, Halpersohn ist in ihn verliebt, nur der alte Generalstaatsanwalt ist unnachgiebig.«
    »Welche Affäre meinen Sie denn?« sagte Gottfried.
    »Ach, daran erkenne ich Ihre vornehme Gesinnung!« rief Wanda. »Was haben Sie für ein edles Herz!... Ihre Mutter muß sehr stolz auf Sie sein.« Sie blieb stehen, als ob sie Herzbeschwerden empfände.
    »Ich schwöre Ihnen, daß ich nichts von der Angelegenheit weiß, von der Sie reden«, sagte Gottfried.
    »Ach, Sie kennen sie wirklich nicht?«
    »Wenn wir vor dem Herrn Baron Bourlac nicht darüber sprechen dürfen,« bemerkte Gottfried, »so erzählen Sie mir doch, was mit Ihrem Sohn geworden ist...«
    »Aber«, erwiderte Wanda, »ich glaube, ich sagte Ihnen schon, daß er bei dem Generalstaatsanwalt tätig ist, der ihm ein außerordentliches Wohlwollen bezeigt. Er ist nur achtundvierzig Stunden in der Conciergerie geblieben, wo er bei dem Direktor untergebracht war. Der gute Doktor, der den schönen, hochherzigen Brief Augusts erst abends vorgefunden hat, nahm seine Klage zurück; und infolge der Intervention eines ehemaligen Präsidenten des höchsten Gerichtshofs, den mein Vater nie gesehen hat, hat der Generalstaatsanwalt das Protokoll des Polizeikommissars annulliert und den Haftbefehl zurückgenommen. Es ist also von dem ganzen Vorfall keine Spur mehr vorhanden als die in meinem Herzen, im Gewissen meines Sohnes und im Kopfe seines Großvaters, der seit jenem Tage ›Sie‹ zu August sagt und ihn wie einen Fremden behandelt. Gestern erst hat Halpersohn um Gnade für ihn gebeten; aber mein Vater, der selbst mich zurückweist, mich, die er so sehr liebt, hat geantwortet: ›Sie sind der Befohlene, Sie können ihm verzeihen; aber ich bin für den Dieb verantwortlich... und als ich noch Generalstaatsanwalt war, habe ich niemals verziehen!...‹ ›Aber Sie werden damit Ihre Tochter töten!‹ hat Halpersohn gesagt, während ich zuhörte. Mein Vater aber hat dazu geschwiegen.«
    »Aber wer hat Ihnen denn Beistand geleistet?«
    »Ein Herr, von dem wir annehmen, daß er beauftragt ist, im Namen der Königin Wohltaten zu erweisen.«
    »Wie sieht er denn aus?« fragte Gottfried.
    »Er ist ein feierlicher, magerer Herr von traurigem Wesen, so wie mein Vater... Er war es, der meinen Vater in das Haus bringen ließ, das wir bewohnen, als er von dem hitzigen Fieber befallen wurde. Stellen Sie sich vor, daß man mich, sobald mein Vater wiederhergestellt war, aus der Klinik dorthin gebracht hat, und daß ich mich wieder in meinem Zimmer befand, das so war, als ob ich es nie verlassen hätte. Halpersohn, den dieser lange Herr, ich weiß nicht wie, für sich zu gewinnen verstand, hat mir dann von all den Leiden erzählt, die mein Vater durchgemacht hat! Von den verkauften Diamanten der Dose! Und wie mein Sohn und mein Vater den größten Teil der Zeit hungerten und vor mir die Reichen spielten!... Oh, Herr Gottfried!... Die beiden sind ja wahre Märtyrer... Was soll ich meinem Vater sagen?... Zwischen meinem Sohne und ihm stehend, kann ich ihnen nicht Gleiches mit Gleichem vergelten und um ihretwillen leiden, wie sie für mich gelitten haben.«
    »Sieht dieser lange Herr nicht etwas soldatisch aus? ...«
    »Ah, Sie kennen ihn also?!« rief Wanda, als sie an der Tür des Hauses angelangt waren.
    Und sie nahm Gottfried bei der Hand mit der Kraft einer Frau, die einen Nervenanfall hat, zog ihn mit sich in den Salon, dessen Tür sich öffnete, und rief: »Vater! Herr Gottfried kennt deinen Wohltäter.« Der Baron Bourlac, der, wie Gottfried bemerkte, gekleidet war, wie es einem früheren Beamten von so hohem Range geziemte, erhob sich, reichte Gottfried die Hand und sagte: »Ich dachte es mir!«
    Gottfried machte eine verneinende Bewegung, als wollte er eine so edle Rache ablehnen; aber der Generalstaatsanwalt ließ ihn nicht zu Worte kommen. »Ach, mein Herr, fuhr er fort, »nur die Vorsehung ist mächtiger, nur die Liebe ist erfindungsreicher, nur die Mütterlichkeit ist scharfblickender als Ihre Freunde, die von allen diesen drei erhabenen göttlichen Dingen etwas haben ... Ich segne den Zufall, dem wir unser Zusammentreffen verdanken; denn Herr Joseph ist für immer verschwunden, und da er sich allen Fallen, die ich ihm stellte, um seinen wahren

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