Kein Augenblick zu früh (German Edition)
für Thomas tun können.
Suki deutete auf ihre Koffer. »Hilfst du mir jetzt? Oder muss ich Harvey bitten?«
Demos stand am Ende des Piers und blickte aufs Meer hinaus.
»Wie geht es deiner Mutter?«, fragte er, als ich neben ihn trat.
»Viel besser.« Ich musste schlucken, aus Trauer und aus Dankbarkeit. »Dad sagt, sie wird bald wieder gesund sein, fast ganz wie vorher. Sie braucht nur viel Ruhe.«
Demos nickte.
»Und sie hat mir aufgetragen, dir zu danken«, fuhr ich leise fort. Er gab keine Antwort. Es war auch keine nötig. »Und das hat sie mir auch aufgetragen.« Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange.
Sein Gesicht wurde starr. Nach einer Weile atmete er tief ein und drehte sich zu mir. »Pass gut auf deinen Bruder auf, Lila – für mich.«
Ich hob eine Augenbraue und er lächelte.
»Werden wir uns wiedersehen?«, fragte ich heiser. Es war eher ein leises Schluchzen. Irgendwann, irgendwie hatte sich auch Zuneigung zwischen uns geschlichen.
»Ja, bestimmt.« Demos lachte leise und legte den Arm um meine Schultern. »Wir sind doch so was wie eine Familie, nicht wahr? Oder fast.« Plötzlich drehte er mich zu sich und blickte mich ernst an, ohne die Hände von meinen Schultern zu nehmen. »Lila – sag es ihm nicht. Versprichst du es mir? Er muss es nicht erfahren.«
Ich atmete tief die kühle Meeresluft ein und schaute zur Jacht hinüber. Jack und Amber saßen nebeneinander auf dem Oberdeck. Gerade griff er hinter sich, nahm eine Decke und legte sie Amber um die Schultern. Als er sah, dass wir ihn beobachteten, lächelte er uns zu und winkte Demos zum Abschied zu. Demos nickte nur und lächelte flüchtig zurück.
Ich schluckte. »Okay«, sagte ich zögernd.
»Was hat er mit Sara vor?«, fragte Demos nach einer Weile.
Ich zuckte die Schultern. »Darüber redet er nicht. Er fragte Harvey nur, ob sie noch lebte, als sie ins Krankenhaus eingeliefert wurde, aber sonst scheint es ihm egal zu sein, wie es ihr geht. Mir übrigens auch. Du weißt ja – nicht Jack, sondern mein Vater hat Sara verletzt.« Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass mein Vater tatsächlich auf einen Menschen geschossen hatte.
»Ja, das habe ich gehört.«
»Aber sie hat es verdient.«
»Hatten wir nicht vereinbart, dass wir das alles nicht aus Rache getan haben, Lila? War das nicht die große Lehre dabei?«
Ich grinste nur.
»Bis bald, Lila«, sagte er schließlich, nahm seine Tasche und ging den Pier entlang. Ich sah ihm nach. Eine einsame, dunkle Gestalt, die wie ein Geist in der Dämmerung verschwand.
Und so fand mich Alex ein wenig später, immer noch am Ende des Piers, den Blick auf das dunkle Meer gerichtet.
»Wir sind bereit«, sagte er und legte mir den Arm um die Hüfte.
»Wohin fahren wir?« Eigentlich war es mir egal, solange es nicht Mexico City war und solange wir ein paar Monate brauchten, um zum Ziel zu kommen. Eine lange Fahrt über den weiten Ozean, wo uns niemand finden konnte und ich massenhaft Zeit haben würde, unentwegt Alex’ Entschlossenheit zu untergraben, »meine Lage nicht auszunutzen«.
»Ich kenne da einen wunderbaren Strand in Mexiko«, sagte Alex so leise und vielsagend, dass mir ein bisschen schwindelig wurde.
»Ich denke, ich weiß, welchen Strand du meinst. Ist er nicht besonders für das Nacktbaden mitten in der Nacht geeignet?«
Alex lachte leise. »Ich habe dir doch versprochen, dich eines Tages dorthin zurückzubringen.« Er hob mein Kinn mit einem Finger an, bis unsere Lippen nur noch Zentimeter voneinander entfernt waren.
Und er ließ sich Zeit. Langsam, unweigerlich wurde die Entfernung kleiner. Als er mich endlich küsste, begannen sämtliche Synapsen in meinem Hirn Funken zu sprühen. Sie entzündeten ein kleines elektrisches Feuer in meinem Kopf.
Aber das war okay. Denn inzwischen wusste ich, wie ich es wieder unter Kontrolle bringen konnte.
Falls du noch ein bisschen mehr von Alex lesen willst …
Der Augenblick
Eine Short Story aus Alex’ Sicht
In Washington habe ich sie zuletzt gesehen. Vor etwas mehr als drei Jahren.
Eine Erinnerung geht mir nicht aus dem Kopf. Wir drei – Jack, Lila und ich – spielten Basketball im Garten hinter meinem Elternhaus. Ich glaube, jemand machte ein Foto, vielleicht ist das der Grund, warum ich mich daran so deutlich erinnere.
Wir redeten nicht viel. Wir spielten hart und schnell, schwitzten trotz der Kälte. Im Auto, auf dem Weg zu mir, hatten sich Jack und sein Vater gestritten. Jack war
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