Kein Biss unter dieser Nummer
du deine Schwester mit unzähligen gesungenen Telegrammen und der beharrlichen Weigerung, den Mord an ihrer Mutter zu bereuen, letztendlich mürbe machen wirst.«
»Ja, ich … Moment mal! Das klingt ja fast, als würdest du denken, dass …«
»Nicht zu vergessen, deine hartnäckige Behauptung, dass auch du sozusagen ein Opfer bist.« Seine Betonung auf »sozusagen« klang so schrill, als hätte eine Cheerleaderin aus den frühen Achtzigern von ihm Besitz ergriffen. Oder aus irgendeinem anderen Jahrzehnt. Ich spürte, wie sich meine Augen zu Schlitzen verengten, während er nach dem Behälter griff, der im Welpenbereich des Küchentresens stand. Ja. Die Hunde hatten einen eigenen Platz am Küchentresen. Ich nicht.
»Das ist nicht lustig«, schloss er.
»Ich weiß!«, rief ich. »Von deinem gehässigen und falschen Eindruck von mir mal abgesehen, ist nichts davon lustig. Zugegeben, als Laura mich mit einer Handvoll Ballons angebrüllt hat, sah das komisch aus, doch es war keineswegs lustig.«
Sein stechender Blick traf den meinen, und einen Augenblick lang war mir heiß und kalt zugleich. Kalt, weil Sinclair (auch wenn er sich eher selbst in Brand gesteckt hätte, als mich zu verletzen) so ziemlich der furchterregendste Vampir auf dem Planeten war; man löste sich nicht einfach so aus seinem Blick, ohne etwas aufzugeben. Heiß, weil er so ziemlich der furchterregendste Vampir auf dem Planeten war und man sich nicht einfach so aus seinem Blick löste, ohne etwas aufzugeben. Mhmmmm. Doppel-Mhmmmm.
Sein Mund öffnete sich. Ich spürte, wie ich mich unwillkürlich zu ihm beugte … und mir wurde unvermittelt bewusst, dass wir seit beinahe zweiundsiebzig Stunden keinen Sex mehr gehabt hatten. Welch ein Horror! Unvorstellbar.
»Tina!«, brüllte er, und ich zuckte zurück. Das war nicht der Name, den ich ihn schreien hören wollte.
Wir vernahmen polternde Schritte auf der Treppe. Jemand galoppierte durch die Halle zur Küche, und dann – wusch! – blieb Tina schlitternd vor uns stehen. Sie liebte flauschige Socken, beklagte jedoch ihren Mangel an Bodenhaftung … an den meisten Tagen zumindest. Sie trug gelb-schwarze Ringelsocken, die ihre Füße wie Riesenbienen aussehen ließen.
»Eure Majestäten.« Tina war nicht außer Atem, denn sie hatte keinen Atem mehr, doch sie hatte auch keine Zeit verloren. »Womit kann ich dienen?«
Sinclair hatte inzwischen den Deckel von dem Behälter mit den Welpenleckerlis abgenommen.
»Das ist nicht akzeptabel.«
»Mein König?«
Er drehte den Behälter um und schüttelte ihn. Es fiel nichts heraus. »Das wird nicht geduldet!«
Tina blinzelte bedächtig, wie eine Eule. Sie liebte meinen Ehemann; sie hatte ihn schon Jahrzehnte vor meiner Geburt geliebt, und ich war mir sicher, dass sie ihn auch noch in Jahrhunderten lieben würde. Aber ihre Liebe stellte keine Bedrohung für mich dar. Tina war seit Generationen mit der Familie Sinclair befreundet; sie war der Vampir, der meinen Ehemann von einem trauernden Bruder und Sohn in ein kaltblütiges, wütendes Raubtier verwandelt hatte. Sie war ihm ergeben, hatte für ihn getötet und war (mindestens zweimal, soweit ich weiß) beinahe für ihn gestorben. Ihre Liebe für ihn war rein mütterlicher Natur.
Das war angesichts ihres Aussehens ebenso seltsam wie anrührend. Tina hatte in ihrem Jahrhundert als wahre Schönheit gegolten, und in meiner Zeit sah sie immer noch heiß aus. Ihr dunkelblondes Haar war zu einem dicken Zopf geflochten, wodurch die dunklen Augen mit den dichten Wimpern in ihrem bleichen Gesicht noch atemberaubender wirkten. »Stiefmütterchenaugen«, pflegte meine Mutter sie zu nennen. Tina wurde regelmäßig nach ihrem Ausweis gefragt, wenn sie versuchte, a) Alkohol zu kaufen oder b) einen Film im Kino zu sehen, der erst ab sechzehn freigegeben war. Das lag teilweise daran, dass sie ein Vampir war, und teilweise daran, dass sie sich gern anzog wie der lüsternen Fantasie eines Senators entsprungen: karierte Röcke, gewöhnlich grün oder rot gemustert; blendend weiße Blusen, wenig bis gar keinen Schmuck, kein Make-up. Im Leben musste sie wohl die anderen Südstaaten-Schönheiten um ihren winzig kleinen Verstand gebracht haben. Und Sie können mir glauben, deren Verstand hatte schon genug Probleme, es zu verkraften, dass Daddys Sklaven die verrückte Idee hatten, es sei scheiße, jemandem zu gehören. (Ja. So alt war Tina. Ihr vollständiger Name lautet Christina Caresse Chavelle. Ha!)
Damit will ich nur
Weitere Kostenlose Bücher