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Kein Biss unter dieser Nummer

Kein Biss unter dieser Nummer

Titel: Kein Biss unter dieser Nummer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Janice Davidson
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Nick: kein Betsy-Fan. Er hat mich ungefähr so gern gemocht wie ein Hirschjäger zum Abschuss freigegebene Hirsche. Nick-nicht-Dick hatte mehr als einmal mit der Waffe auf mich gezielt, und wir reden hier nicht von sexy Rollenspielen. Aber ich konnte es ihm nicht verübeln, weil Sinclair und ich uns Einlass in seinen Kopf erzwungen hatten, ohne daran zu denken, wie er sich dabei fühlen würde. Er ist nie darüber hinweggekommen – warum auch? Wir haben sein Gehirn vergewaltigt, um uns selbst zu retten. Das kann man sich nicht schönreden.
    In der neuen Realität allerdings hatten wir ihn nicht in dieser Weise misshandelt, denn ich hatte die Vergangenheit verändert, indem ich statt Nick den Antichristen angeknabbert hatte. Lauras Leben war ohnehin schon verpfuscht (denn siehe oben: Antichrist). Also hatte Dick-nicht-Nick niemals ein Vampirtrauma aufzuarbeiten; er hielt uns alle für klasse. Ihm gefiel es, in der Vampirzentrale zu leben. Er freute sich, dass er Vater wurde. Er liebte das Leben: den kontrollierten Wahnsinn seines Berufs und den unkontrollierten Wahnsinn des Lebens in der Villa.
    Ein typisches Beispiel: Er war gerade von seiner Schicht nach Hause gekommen, einem Tag, an dem er das Übelste gesehen hatte, was Menschen einander antun können. Doch er ging nicht auf direktem Weg in die Küche, um heimlich einen Schluck von Tinas Wodka zu schlürfen, oder in sein Zimmer, um eine halbe Stunde wie ein Baby zu schlafen, oder ins Bad, um sich unter einer heißen Dusche den Schmutz des Verbrechens abzuspülen. Nein, er polterte schnurstracks die Stufen zum dritten Stock hoch, wo ich wieder einmal versuchte, mich zu entscheiden, welche der grässlichen Nubuk-Clogs ich spenden, welche ich verbrennen und welche ich (iiiih!) behalten sollte.
    »Hey! Ist meine Lieblingsvampirkönigin dort drin?« Ein höfliches Klopf-Klopf an meiner Schlafzimmertür. »Und hat hoffentlich gerade keinen Sex mit meinem Lieblingsvampirkönig? Was rede ich denn da? Natürlich genießt ihr im Moment nicht die Freuden der Ehe, sonst würde ich ja das Geräusch eines zusammenbrechenden Bettes oder das Klirren eines zersplitternden Fensters hören.«
    Ich verdrehte die Augen. Kaum schrottet man zwei Betten in einer Woche, schon haben die Leute alle möglichen Vorstellungen von deinen Schlafzimmereskapaden. »Möchtest du nicht einfach reinkommen?«
    »Erst, wenn du mir verrätst, ob sich eine Vampirkönigin im Zimmer aufhält«, rief er fröhlich durch die Tür. »Ich muss mit jemandem reden, der hier das Sagen hat. Aber du tust es vermutlich auch, Betsy. Haha!«
    »Leck mich!«, rief ich. Er wusste, dass dies der Betsy-Jargon für »Komm nur rein, lieber Freund« ist. »Und nur, dass du’s weißt: Ich habe jede Woche ein Wörtchen mehr mitzureden. Vermutlich.«
    »Darauf antworte ich erneut mit einem fröhlichen Haha.« Grinsend stand er im Türrahmen. Er trug sein übliches Kampf-dem-Verbrechen-Outfit: hellbeiges Anzughemd, dunkelgraue Hose, farblich passendes Jackett und speziell für ihn angefertigte Polizistenschuhe, die elegant aussahen, mit denen er aber auch einen Sprint hinlegen konnte. Bis auf die Schuhe waren sämtliche Klamotten von der Stange, doch da er groß war (eins zweiundachtzig wie ich) und sehnig wie ein Schwimmer, sah er in allem gut aus.
    Dick-nicht-Nick legte keinen Wert auf Markenklamotten, und das musste er auch gar nicht. Seine Schultern waren so breit, dass er sich selbst einen Kartoffelsack hätte umhängen können, und ich hätte immer noch gesagt: »Hmmm, wie schnuckelig! Vielleicht sollte ich Sinclair auch einen Kartoffelsack besorgen.«
    »Herr im Himmel, Betsy!« Er ließ den Blick über die zahlreichen Schuhschachteln, die gähnend offene Schranktür und über mich schweifen. Ich saß auf dem Boden, machte Notizen und Fotos und sah vermutlich so aus, als hätte mich der Schrank ausgespuckt. »Betrauerst du immer noch diese Sache mit den Clogs?«
    »Nubuk-Clogs«
, erwiderte ich trotzig. »Und ja, das tue ich. Aber sag mal, was ist denn das für ein Wort? ›Betrauern‹, also echt! Glaubst du, die Menschen reden so im wirklichen Leben?« Allein sein Anblick heiterte mich auf. Ich hatte den Zeitstrom vor so kurzer Zeit verändert, dass es mir immer noch wie ein Wunder vorkam, mit dem Liebhaber meiner besten Freundin im selben Zimmer stehen zu können und zu wissen, dass er keine Angst vor mir hatte. Ich mochte Dick-nicht-Nick um seiner selbst willen, doch offen gestanden mochte ich ihn auch, weil er für

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