Kein bisschen Liebe
Cuba! Ich mach sogar Bauchtanz, Schätzchen! Das können nur ganz wenige auf der Welt.«
»Aber die Zeit bleibt nicht stehen, Elizabeth.«
»Jetzt sei nicht fies! Warum musst du mich jetzt auch noch niedermachen? Bist du mein Freund oder mein Feind?«
»Ich will dir nur beim Nachdenken helfen. Vielleicht kannst du unterrichten.«
»Das würde ich gerne.«
So geht das eine Weile. Immer dasselbe. Sie akzeptiert nicht, dass sie am Ende des Weges angekommen ist und von jetzt an Milchmädchen sein wird.
Schließlich geht sie. Ich koche die Milch auf. Sie ist ausgezeichnet. Es bildet sich eine dicke Sahneschicht. Ich gehe mit einem Glas Rum in der Hand auf die Terrasse hinaus. Der Regen hat nachgelassen, und von Norden her weht ein Wind, kann sein, dass es aufklart. Das Viertel liegt ruhig da. Soweit das möglich ist. Die Dicke aus dem Erdgeschoss beschimpft ihren Mann. Der Typ ist LKW-Fahrer, ein dünner, ausgemergelter Kerl. Er hängt an ihren Lippen, als würde sie ihm Liebesgedichte vortragen. Ziemlich dreist. Er steht auf dem Gehsteig, neben seinem LKW. Die Dicke auf dem Balkon. Wenn man der Dicken einen anderen Monolog gäbe, wären sie wie Romeo und Julia. Es ist eine Schmierenoperette, die sich täglich mit derselben Szene wiederholt. Ich kann nicht begreifen, wie der Typ eine solche Beschimpfungstirade ungerührt über sich ergehen lassen kann, auf offener Straße. Ich gehe wieder rein. Es ist acht Uhr abends. Wenn ich hier bleibe, trinke ich noch die ganze Flasche. Besser, ich gehe zu Miriam. Vielleicht ist sie allein.
Ich ging die Treppe hinunter und dachte dabei, dass die Frauen meine Rettung und mein Untergang sind. Immer dasselbe. Eine, die dich heute rettet und dein Leben in eine leichte Komödie verwandelt, zieht dich morgen runter, du ziehst sie runter, und es beginnt das Drama, das sich schnell zuspitzt. Und wenn du nicht rechtzeitig Schluss machst, kann alles tragisch enden. Ich nahm den 195er, der um diese Uhrzeit halb leer war. In vierzig Minuten war ich in Guanabacoa. Ich fuhr bis zur Endhaltestelle und bog zwischen mannshohen Gräsern hindurch in einen dunklen, matschigen Weg ein. Es gab nur wenige, dem Einsturz nahe Häuschen, die Bleiben bettelarmer Leute, und dazu Schweinekoben, die nach Mist stanken. Miriam erzählte mir, dass auf dieser dunklen Strecke zu jeder Tages- und Nachtzeit Onanisten auftauchen konnten, splitterfasernackt. Sobald sie eine Frau sahen, streiften sie die Shorts ab und holten sich dann vor den Damen einen runter. Ein ganz anderes Niveau als in Zentral-Havanna. In meinem Viertel lassen sie wenigstens die Klamotten an. Das hier ist schon der Gipfel des Exhibitionismus.
Heute waren keine Wichser da. Oder ich gefiel ihnen nicht, und sie blieben hinter den Gräsern versteckt. Es nieselte schon wieder, und meine Schuhe und Hose bekamen einiges an Schlamm ab. Schließlich komme ich an Miriams und Luis’ Haus. Es ist eine Bretterbude, baufällig und altersschwach: zwei Zimmer und ein Hof aus gestampfter Erde. Ich gucke durchs Fenster. Die zwei sind am Streiten. Miriam kocht, und Luis schreit, dass sie nicht so viel Öl nehmen soll und dass sie eine Verschwenderin ist. Mir scheint, dass er getrunken hat. Der Fernseher läuft, und jemand redet endlos über Gerechtigkeit und die Zukunft und eine Welt ohne Hunger. Es werden Szenen von unterernährten kleinen Schwarzafrikanern vorgeführt, die kurz davor stehen, in Tränen auszubrechen. Die beiden streiten weiter und übertönen den Fernseher mit ihrem Geschrei. Ich schaue vom Wegrand durchs offene Fenster in die Küche und traue mich nicht hinein. Hohe, breite Gräser beschützen mich. Sie können mich nicht sehen. Ein Typ kommt auf dem Fahrrad vorbei. Als er schon ein Stück weit weg ist, ruft er mir zu: »Pass bloß auf, Spanner vertreiben wir hier mit der Machete!«
Ich nehme die Drohung als guten Rat und gehe hinters Haus. Dort ist ein niedriger Zaun mit einem Törchen. Ich betrete den Hof. Sie haben ein Ferkel, das mit einem Strick angebunden ist. Es quiekt und beschnuppert mir die Füße. Luis kommt heraus. Er denkt, man will ihm das Schwein klauen. Als er mich sieht, ist er erfreut:
»Ach, wen haben wir denn da! Komm rein, Kumpel! Fast hätte ich dir eine verpasst. Ich dachte, die wollen mir mein Schweinchen klauen.«
»Ganz ruhig, Luis.«
Wir schütteln uns die Hände. Er ist betrunken und verliert das Gleichgewicht. Trotzdem muss er beweisen, was er für ein Kerl ist, und hält mir die Flasche hin, als würde er
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