Kein Blick zurueck
wie seine Hände die ihren drückten. »Ich habe unsere Gespräche vermisst«, sagte er leise.
Sie senkte den Blick. »Ich auch.«
Als sie auf dem Heimweg war, hörte es auf zu schneien. Sie blieb auf dem Bürgersteig stehen, um ihr Haus zu betrachten. In den Buntglasfenstern funkelten winzige irisierende Quadrate in der späten Nachmittagssonne zu ihr herüber. Sie erinnerte sich, wie sie vor drei Jahren, bei der Einweihungsparty, die Ed und sie nach ihrem Einzug gegeben hatten, an ebendieser Stelle gestanden hatte. Damals saßen entlang der Terrassenmauer Frauen, schauten auf die Straße und riefen nach ihren Kindern, und ihre Gesichter leuchteten wie aufgereihte Monde. Damals war Mamah aufgefallen, dass ihr langgestrecktes, flaches Haus im Gegensatz zu dem viktorianischen Dampfer nebenan einem kleinen Floß ähnelte. Doch um was für ein aufsehenerregendes Floß, aus dessen Türen der »Maple Leaf Rag« drang und an dessen Rändern gemütlich Menschen saßen.
Edwin hatte sie auf dem Bürgersteig stehen sehen, war zu ihr herausgekommen und hatte den Arm um sie gelegt. »Wir haben uns ein Haus für die guten Zeiten angeschafft, nicht wahr?«, hatte er gesagt. Sein Gesicht hatte gestrahlt vor Stolz und der Aufregung des Neuanfangs. Für Mamah jedoch hatte sich die Einweihungsparty angefühlt wie das Ende von etwas Besonderem.
»Sie waren zu Fuß im Schneesturm unterwegs, nicht wahr?« Die Stimme ihres Kindermädchens weckte Mamah, die, die Füße auf die gerollten Armstützen gelegt, sich auf dem Wohnzimmersofa ausgestreckt hatte.
»Ich weiß, Louise, ich weiß«, murmelte sie.
»Möchten Sie einen Punsch gegen die Erkältung, die Sie kriegen werden?«
»Den nehme ich. Wo ist John?«
»Nebenan bei Ellis. Ich hole ihn nach Hause.«
»Schicken Sie ihn zu mir, wenn er wieder da ist. Und bitte machen Sie das Licht an, ja?«
Louise war rund und behäbig, obwohl sie kaum älter war als Mamah. Sie war bei ihnen, seit John ein Jahr alt war – eine kinderlose irische Kinderfrau, dazu geboren, Kinder zu bemuttern. Sie knipste die Wandleuchten an und verließ schwerfällig das Zimmer.
Als sie die Augen wieder schloss, zuckte Mamah bei dem Gedanken an das Bild zusammen, das sie ein paar Stunden zuvor abgegeben hatte. Sie hatte sich wie eine Verrückte aufgeführt, hatte am Auto herumgekurbelt, bis ihr der Arm wehtat, dann war sie zu Fuß durch Eis und Schnee gehastet, um einen Blick auf Frank zu erhaschen, gerade so, als hätte sie keine andere Wahl.
Als Edwin ihr damals gezeigt hatte, wie man den Wagen startete, hatte er ihr von einem Mann erzählt, der sich zuweit vorgebeugt hatte. Die Kurbel hatte dem Mann den Kiefer zerschmettert, und er war in der Folge einer Infektion erlegen.
Mamah setzte sich abrupt auf und schüttelte den Kopf, als hätte sie Wasser in den Ohren. Morgen früh rufe ich Frank an und sage ihm ab.
Augenblicke später lachte sie sich jedoch selbst aus. Mein Gott. Schließlich geht es nur um eine Garage.
Kapitel 2
Mamah erwachte zu dem Geräusch von Edwins täglichen Ritualen. Das Klappern seines Rasierpinsels in der Porzellanschale, das leichte Aufschlagen eines Hemdkragens auf der Kommode. Das Klicken der Manschettenknöpfe. Es war Samstagmorgen, doch er hatte vor, heute nach Milwaukee zu fahren. In ein paar Minuten wäre er mit seinem Derbyhut und seinem Aktenkoffer zur Tür hinaus.
Das nächste Geräusch, das sie hörte, war das Tapsen von Johns nackten Füßen auf dem Flur.
»Mamaaa«, rief er, sprang aufs Bett und warf sich mit seinem mageren Körper auf sie.
Sie tat, als schliefe sie, dann warf sie den elfenleichten Jungen unvermittelt auf den Rücken und kitzelte ihn, bis er sich vor Lachen kaum noch zu halten wusste. »Wie lautet das Zauberwort?«
John quietschte in höchstem Vergnügen.
»Wie lautet das Zauberwort?«
»Ich weiß es nicht mehr!«
»Kleiner Hinweis«, sagte sie. »Es ist ein Gemüse.«
Er stöhnte. »Können wir nicht ein neues Wort haben?«
Mamah überlegte einen Augenblick. »In Ordnung. Pirat also.«
John wirkte überrascht. »Das mag ich.«
»Jeder mag Piraten«, mischte Edwin sich ein, »ganz egal, wie böse sie sind.« Er drückte beiden einen Kuss aufs Haar. »Bis heute Abend gegen acht, wenn alles gutgeht.«
Sie stand auf, zog einen Morgenmantel über und ging zum Kinderbettchen, um das Baby herauszuheben. Martha war aufgestanden und hielt sich schwankend und plappernd am Gitterrand fest. Mamah wechselte ihr die Windel, dann setzte sie ihre
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