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Kein Entkommen

Kein Entkommen

Titel: Kein Entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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gestern nicht so gelaufen ist, wie du dir erhofft hattest?«
    »Ach was«, erwiderte ich. »Man landet eben nicht nur Treffer. So was kann passieren. Und du? Geht’s dir wieder besser?«
    Sie antwortete mit einem kaum wahrnehmbaren Nicken. Nur der Schirm ihrer Mütze bewegte sich eine Winzigkeit.
    »Wirklich?«, hakte ich nach. »Und das, was du gestern erzählt hast? Die Sache mit der Brücke …«
    »Lass uns nicht wieder …«
    »Ich hatte gedacht, du wärst wieder auf dem Damm, aber als du …«
    Sie legte ihren Zeigefinger an meine Lippen. »Ich weiß, es ist nicht leicht mit mir in letzter Zeit. Es tut mir leid.«
    Ich zwang mich zu einem Lächeln. »Wir haben alle mal schlechte Phasen. Manchmal gibt’s einen klaren Grund, manchmal nicht. Mach dir keine Sorgen. Das geht schon wieder vorbei.«
    Für den Bruchteil einer Sekunde verdüsterte sich ihr Blick, als sei sie sich da keineswegs so sicher. »Du weißt gar nicht, wie dankbar ich dir für deine Geduld bin«, sagte sie. Eine Familie auf Parkplatzsuche rauschte in ihrem Monster-Geländewagen vorbei, und Jan legte kurz die Hände an die Ohren.
    »Ist doch selbstverständlich«, sagte ich.
    Sie atmete tief ein. »Es wird bestimmt ein toller Tag. Lass uns einfach die Zeit genießen.«
    »So hatte ich’s mir vorgestellt«, sagte ich und gestattete ihr, mich enger an sich zu ziehen. »Trotzdem glaube ich nach wie vor, dass es besser wäre, wenn du professionelle Hilfe in Anspruch nehmen …«
    Ethan drehte sich in seinem Buggy um und warf uns einen Blick zu. Er nahm den Strohhalm aus dem Mund. »Wann gehen wir denn?«
    »Mal langsam mit den jungen Pferden«, sagte ich.
    Er drehte sich wieder um, wippte mit den Beinen auf und ab.
    Jan hauchte mir einen Kuss über die Wange. »Komm, lass uns einfach zusammen Spaß haben.«
    »Ja«, sagte ich.
    Sie drückte meinen Arm und wandte sich zum Buggy. »Okay, Kleiner«, sagte sie zu Ethan. »Schon geht’s los.«
    Ethan streckte die Arme aus, als würde er fliegen. Seinen Saft hatte er bereits ausgetrunken und reichte mir die Tüte. Ich warf sie in den nächsten Abfalleimer, während Jan unserem Sohn ein feuchtes Tuch gab, damit er sich die klebrigen Finger abwischen konnte.
    Es waren noch ein paar hundert Meter bis zum Haupteingang, vor dem sich bereits eine Besucherschlange gebildet hatte. Jan hatte unsere Tickets klugerweise online bestellt und sie schon vor ein paar Tagen ausgedruckt. Ich übernahm den Buggy, während Jan in ihrer Handtasche nach den Karten kramte.
    Kurz vor dem Eingang blieb sie abrupt stehen. »Mist.«
    »Was?«
    »Der Rucksack«, gab sie zurück. »Ich habe ihn im Kofferraum liegen lassen.«
    »Brauchen wir ihn überhaupt?«, fragte ich. Es war ziemlich weit bis zum Auto.
    »Ja, wegen den Sandwiches und der Sonnencreme.« Jan achtete stets genau darauf, dass Ethan sich keinen Sonnenbrand holte. »Ich hole ihn. Geht ihr schon mal vor, ich bin gleich wieder da.«
    Sie reichte mir zwei Karten – ein Erwachsener, ein Kind – und steckte ihre eigene wieder ein.
    »Drinnen gibt’s einen Eisstand«, sagte sie. »Ungefähr nach hundert Metern auf der linken Seite. Wollen wir uns da treffen?«
    Jan pflegte grundsätzlich vorher zu recherchieren; offenbar hatte sie sich den Online-Plan des Five-Mountains-Parks genauestens angesehen.
    »Gut«, sagte ich. Jan wandte sich um und schlug den Weg zum Wagen ein.
    »Wo geht Mom hin?«, fragte Ethan.
    »Sie hat den Rucksack vergessen«, antwortete ich.
    »Die Sandwiches?«, sagte er.
    »Genau.«
    Er nickte erleichtert. Unvorstellbar, wenn wir ohne Sandwiches mit Erdnussbutter in den Vergnügungspark gegangen wären.
    Ich schob ihn an der Schlange vor dem Tickethäuschen vorbei, zeigte unsere Karten vor und betrat den Park. Vor uns befanden sich diverse Fastfood-Buden und ungefähr ein Dutzend Stände, an denen man Five-Mountains-Souvenirs, Hüte, T-Shirts, Aufkleber fürs Auto und Broschüren kaufen konnte. Ethan wollte einen Hut. Ich sagte nein.
    Die ersten beiden Achterbahnen, die schon vom Parkplatz aus riesig gewirkt hatten, türmten sich nun wie der Himalaya vor uns auf. Ich blieb stehen, kniete mich neben Ethan und streckte den Zeigefinger aus. Er blickte auf und sah zu, wie eine Kette von Wagen langsam den ersten Hügel erklomm und dann mit Hochgeschwindigkeit zu Tal rauschte, während die Fahrgäste sich die Seele aus dem Leib kreischten.
    In einer Mischung aus Staunen und Furcht blickte er mit großen Augen auf das Ungetüm von Achterbahn.

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