Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Freibier für Matzbach

Kein Freibier für Matzbach

Titel: Kein Freibier für Matzbach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
Treppe.
    Das Schweigen dauerte so lange, wie Yü zum Kaffeekochen brauchte. Matzbach sah sich im Kneipenteil des umgebauten Dampfers um, als ob er sich von den Holztischen, den Stühlen, dem belegten Pooltisch und überhaupt allem einzeln verabschieden müßte.
    »Gewissenserforschung?« Yü stellte das Tablett mit Thermoskanne, zwei Bechern, braunem Zucker und echter Sahne auf den Tresen.
    »Wieviel schulden wir den Banken?«
    »Typisch Abendländer. Ich frag nach Gewissen, er denkt an Geld.« Yü grinste; dann gähnte er und machte eine Art Kniebeuge.
    »Du hast dein Morgengrauen-Kung-fu ausfallen lassen; Freibier hätte den Anblick bestimmt genossen. Erler hat fünfhundert Kilo für neunundvierzig Prozent angeboten. Fünfzig mehr als zuletzt.«
    Yü kam um den Tresen herum, setzte sich auf den vom Hauptkommissar vorgewärmten Hocker und goß beide Becher voll. »Freiberg hätte gelacht«, sagte er halblaut; »ich hol das Turnen später nach. Die Banken kriegen noch an die eins Komma eins von uns; ich will Erler nicht als Teilhaber; und was ist mit deinem Gewissen?«
    Matzbach winkte ab. »Reden wir nicht von hypothetischen Dingen oder phantastischen Wesenheiten. Fällt dir irgendwas ein? Mafia, Triaden?«
    Yü zupfte sein rechtes Ohrläppchen. »Nichts, außer der letzten Schutzgeldaffäre. Wegen des Arms würden die uns aber keinen zerschlitzten Albo vor die Tür legen, oder? Und auch noch, ohne was zu sagen.«
    Matzbach hielt sich mit beiden Händen am Becher fest. »Kaum. Alte Freunde? Alte Feinde?« Er tat Sahne und Zucker hinein und rührte laut. Zaches setzte sich auf, blinzelte, ächzte, ließ sich zurücksinken und schlief Sekunden später wieder.
    Yü schüttelte den Kopf.
    »Na gut. Also umhören. Und abwarten, was die Jungs von der Kripo rauskriegen?«
    Yü spitzte den Mund. »Solange das Mandat des Himmels nicht erloschen ist, haben alle Organe des Drachenthrons Anspruch auf Loyalität. Sagt Meng-tse.«
    »Laß mich mit den Körperteilen des Kanzlers in Ruhe. Drachenthron, pah.« Matzbach rutschte vom Hocker; im Stehen leerte er seinen Becher. »Wie üblich um sechs, oder was Besonderes?«
    Yü kniff die Augen zusammen. »Nichts – außer umhören. Und sieh dich vor.«
    Matzbach klopfte ihm auf die Schulter. »Ich bin ja bald unter Menschen, sofern das in Bonn der Rede wert ist. Du dagegen, alter glückhafter Herr Yü, hausest hier allein auf der Dschunke. Besorgnisse?«
    Yü deutete auf den Poolschläfer. »Erstens bin ich nicht allein. Zweitens überlaß ich das Besorgen dem Koch; der hat den Einkaufszettel.«
    *
Vgl. Matzbachs Nabel

2. Kapitel
    Wer flach denkt, kann nicht ertrinken.
    B RANA C RNCEVIC
    Das breite Trottoir gegenüber dem Ufer füllte sich allmählich wieder mit Autos. Matzbach schätzte die Abstände vor und hinter seinem Wagen, grunzte und tätschelte das Vehikel, eine DS 21 Baujahr 1973, außen mildes Schokoladeblau (»Zum Reinbeißen«), innen sahneweißes Leder. Jahrelang hatte er sich als mürrische HWG-Person mit Häufig Wechselnden Gebrauchtwagen herumgeplagt, immer auf der sinnlosen Suche nach jenem Wagen, der den Sitzkomfort von Omas Plüschsesseln mit perfektem Fahrkomfort und Verzicht auf elektronischen Schnickschnack verbinden und von außen jederzeit in der Masse der immer ähnlicher konzipierten Fahrzeuge erkennbar sein sollte. Eines Tages hatte eine nette ältere Dame ihn auf einen Denkfehler aufmerksam gemacht, oder genauer, eine Denklücke:
    »Ein Wagen, der die Eigenschaften der ollen DS hat, aber neu und zuverlässig ist, falls Sie mal schnell wohin müssen? Gibt’s nicht – aber Sie haben doch genug Mäuse für zwei Autos, oder?«
    Matzbach erinnerte sich ungern daran, daß er die Dame einen Moment mit offenem Mund angestarrt hatte; er wußte noch immer nicht, wieso er nicht längst allein auf diese Lösung gekommen war. Der andere Wagen, ein inzwischen nicht mehr ganz neuer 600er Rover, mußte dringend wieder bewegt werden. Während Matzbach sich wollüstig seufzend in die Pallas gleiten ließ, das einzige seinen 190 Zentimetern und 115 Kilo angemessene Gefährt, dachte er über einen Trip nach. Papageien in Rouen suchen? Sprotten nach Kiel chauffieren? In Genf Uhren aufziehen? Berlin ... aber westsibirische Gemeinden zogen ihn bestenfalls widerstehlich an. Er steckte den Schlüssel ins Zündschloß und legte die Hände aufs Lenkrad.
    Zehn Minuten später saß er immer noch so. Es kam ihm vor, als habe er eine Vielzahl von Dingen bedacht, mit unerbittlicher

Weitere Kostenlose Bücher