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Kein Freibier für Matzbach

Kein Freibier für Matzbach

Titel: Kein Freibier für Matzbach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Geistesschärfe, aber er konnte sich an nichts erinnern, außer an eine gewisse Vagheit, dem Dösen ähnlich. »Faktizität des Uneigentlichen, oder so«, murmelte er, gähnte, rieb sich die Augen und ließ den Wagen an.
    Beim Ableben eines Mitmenschen, dachte er, sollte man sich bemüßigt fühlen, mit klecksendem Federkiel das eigene Biogramm nachrufshalber zu skizzieren; sich vor den Spiegel stellen, um zu sehen, ob der im Quecksilber Ähnlichkeit mit dem aktuellen Überlebensgefühl hat; dem Tod und der Verbrüchlichkeit voraussinnen. Aber ihm war nicht nach Introspektion zumute, obwohl der karge Verkehr am Rheinufer es zugelassen hätte; und abgesehen von der unerfreulichen Bizarrerie des Vorgangs ließ ihn Alberich Schmidts Hinscheiden kalt.
    Im Rosental fand er einen freien Parkplatz und raffte sich mächtig auf, nahm nicht einmal den Fahrstuhl, sondern stieg drei Treppen. Er mußte zweimal klingeln und einmal klopfen, bis endlich die Tür aufging. Tshato, nackt bis auf einen winzigen orangefarbenen Slip, blinzelte ihn verdrossen an.
    »Chef? Was ist los? Kurz nach Mitternacht ...«
    Matzbach schob ihn beiseite, ging in die Wohnung und überließ ihm das Türeschließen. »Nein, danke, ich mag mich nicht setzen«, sagte er, »aber nett, daß du es mir anbietest. Lucybaby!«
    Aus der offenen Schlafzimmertür drang unwirsches Raunen; die blonde Kellnerin erschien, pittoresk gewickelt in ein lachsrosa Laken. »Mein Gott ...«, murrte sie.
    » ›Chef‹ reicht, oder ›Matzbach‹ oder so«, sagte er. »Paßt auf, ihr zwei Hübschen.«
    Er sprach schnell und konzentriert; die beiden wurden jäh wach. Schließlich hob er die Hände und sagte:
    »So weit. Die Jungs von der Kripo werden euch bestimmt dies und das fragen, hier oder heute abend auf dem Boot. Ich möchte nur eins wissen – jetzt. Gibt’s bei einem von euch finstere Flecken in der Vergangenheit, die schnell übertüncht werden müssen? Habt ihr irgend etwas an Ahnung?«
    Lucy schüttelte stumm den Kopf.
    Der Aschanti schien nach innen zu blicken, stand wie erstarrt im Rahmen der Schlafzimmertür. Dann lockerte sich die Haltung; die dunklen Augen kehrten aus weiter Ferne oder verworfenen Tiefen zurück. »Nix, Chef«, sagte er. »Scheußliche Sache, aber ich hab ganz bestimmt nichts damit zu tun. Ich wüßt auch nicht, wer sonst ...« Die dunkle, kultivierte Stimme mit dem kaum zu ahnenden britischen Touch klang betrübt, aber das dunkle, kultivierte Gesicht lächelte.
    »Warum so heiter, Fürst?«
    Tshato grinste nun ganz offen. »Komisch, daß Teile und Dinge zu Lebzeiten angenehm und hinterher unerfreulich sein können. Ein Messer macht
so
viel aus.«
    In der Paulstraße fand Matzbach einen ihm zustehenden Anwohnerparkplatz, schlurfte in die Breite Straße, erschloß die Tür des renovierten Jugendstilhauses, ignorierte den Briefkasten und hievte sich treppauf zu seiner Chaosbehausung.
    Das Klacken und Spulen des Anrufbeantworters weckte ihn gegen drei – offenbar aus einer extrem leichten Schlafphase, denn das Gerät stand nebenan im Wohn- und Arbeitsraum, und selbst bei offener Zwischentür wurde aus dem zaghaften Geräusch kein Lärm. Nach einer lauen Dusche trocknete er sich vor dem kaum beschlagenen Spiegel ab, murmelte: »Du mußt dein Leben ändern, Torso« und ging durch die Halbdiele in die Küche, um Kaffee zu brauen.
    Der erste Anruf stammte vom zuständigen Anlageberater der Sparkasse, der Matzbach mit dem Hinweis bedachte, daß man fällige Papiere neu anlegen sollte; der dritte war von einem alten Bekannten, der mal wieder Wein trinken wollte. Matzbach starrte aus dem großen Fenster auf die Gräßlichkeit namens Stadthaus, spulte noch einmal zum mittleren Anruf und notierte eine Nummer samt Adresse. Rapunzel Schmidt klang bedrückt, aber gefaßt; sie bat um Kontaktaufnahme, weil sie mehr über die letzten Stunden und das Ableben ihres Bruders wissen wollte, und sagte, sie werde sich ein paar Tage bei einer Freundin im Vorgebirge verkriechen.
    Mit dem Kaffeebecher in der Hand begab sich Matzbach auf einen Slalomkurs durch seine Wohnung. Es war eine Art negativer Pilgerreise, wie er sie in letzter Zeit immer öfter unternommen hatte. Einmal war er, vor Jahren, innerhalb des Hauses umgezogen, aus der zweiten in die erste Etage und eine etwas größere Behausung. Zahlreiche Perioden der Abwesenheit nicht gerechnet, wohnte er nun seit fast siebzehn Jahren in bequemer Nähe zu drei Dutzend Kneipen, Läden, Banken, Bäckern, zum Gefängnis,

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