Kein ganzes Leben lang (German Edition)
ihr. Sie würde Laura gegen nichts auf der Welt eintauschen. Dann stieg in ihr wieder die Wut auf. Wie hatte er nur all das verraten können? Natürlich hatte sie sich in dem letzten Jahr verändert, gerade durch die Schwangerschaft. Sie war nicht mehr die selbstständige Karrierefrau, sondern die schwangere Hausfrau. Aber er hatte das doch auch gewollt.
„Ich kann ohne dich nicht leben. Nicht eine Sekunde. Bitte, komm mit.“ Flehentlich hatte er sie angesehen. Dann war er auf die Knie gefallen und hatte ihr einen Heiratsantrag gemacht. Sie hatte kurz gezögert, hatte sich einen kurzen Augenblick gefürchtet vor der Abhängigkeit. Doch dann hatte sie die unendliche Liebe in seinen Augen gesehen und Ja gesagt. Sie war überzeugt gewesen, dass sie anders waren, sie liebten sich, wie sie wirklich waren, ohne Schminke, ohne Maskerade. Sie hatte sich getäuscht.
2. Kapitel
Am nächsten Morgen kam Christiano spät ins Büro. Er hatte sich in aller Eile einen Anzug, Hemden und Unterwäsche gekauft. Jetzt saß er erschöpft an seinem Schreibtisch und starrte auf den Computerbildschirm. Er las zum sechsten Mal die E-Mail und wusste immer noch nicht, was dort geschrieben stand.
„Ich habe während der Geburt die Tür nicht ein Mal aus den Augen gelassen. Nicht ein Mal“, hallten Annas Worte in ihm nach. Ihre Stimme war voller Schmerz gewesen. Hatte er sie jemals so wütend gesehen? Anna war ein kontrollierter Mensch. Sie stritten sich, aber sie wurde selten laut. Er schluckte. Erfolglos versuchte er, den Gedanken an Lauras Geburt beiseitezuschieben.
„Der schönste Tag in unserem Leben“, hatten viele ihrer Bekannten gesagt. Er hatte diesen Tag verpasst.
Es klopfte, und kurz darauf stand Lucrezia, seine Associate, im Büro. Ihre langen, pechschwarzen Haare glänzten und flossen glatt über ihre Schultern. Sie trug einen schwarzen, langen Rock und eine schwarze Bluse mit Stickereien. Ihre weiblichen Rundungen kamen wie zufällig zur Geltung. Genau das machte den Reiz aus.
„Guten Morgen.“ Ihr heiteres Lächeln hatte etwas Sorgloses.
„Guten Morgen“, erwiderte er brummig.
Lucrezia zögerte kurz und legte schließlich den Ordner auf dem Schreibtisch ab. Ihre feuerroten, kurz geschnittenen Fingernägel hoben sich von dem schwarzen Ordner ab. Bis auf den roten Lippenstift trug sie wenig Make-up. Wie viele Sizilianer hatte sie eine olivfarbene Haut. Trotz der schlechten Laune nahm Christiano ihre Sinnlichkeit für einen Moment gefangen. Er wandte sich ab und blickte auf den Bildschirm.
„Bist du mit dem falschen Fuß aufgestanden?“ Lucrezia wartete seine Antwort nicht ab. „Ich hole uns einen Kaffee, das belebt die Lebensgeister.“ Schon war sie aus dem Zimmer.
Christiano sah ihr nachdenklich nach. Es war diese Leichtigkeit, die er und Anna verloren hatten.
„Bitte schön, schöner Mann.“ Lucrezia reichte ihm kurz darauf den Kaffee. Sie grinste und setzte sich ihm gegenüber. Christiano nahm den Kaffee und sah aus dem Fenster. Über den
Dächern blitzte die Spitze des Doms in der Sonne. Seine schlechte Laune verflog. „Hast du die Dial-in-Daten für die Telefonkonferenz?“, fragte er.
Statt einer Antwort wedelte sie mit einem Blatt vor seiner Nase hin und her, auf dem die Daten abgedruckt waren. Er griff danach. Sie zog es zurück, bevor er es zu fassen bekam, und
lachte. Unwillig stimmte er in ihr Lachen ein.
„Gib mir das Blatt. Das ist kindisch.“
Er nahm es ihr aus der Hand und stellte das Telefon in die Mitte des Schreibtischs.
„Das Gespräch wird nicht einfach werden“, bemerkte er. „Für das Kosmetikunternehmen ist dieser Deal die letzte Rettung. Wenn er platzt, gehen sie pleite.“
Lucrezia schüttelte den Kopf.
„Ich kann nicht glauben, dass auch Bellezza in finanziellen Schwierigkeiten steckt. Die Krise verschont wirklich niemanden.“
Christiano wählte die Nummer. Kurz darauf waren sie zugeschaltet. Bruna Pellegrini, die
Chefin der Rechtsabteilung, hatte sich schon eingewählt.
Sie kam direkt zur Sache.
„Christiano, ich bin nicht erbaut über die neuesten Entwicklungen. Bitte erklären Sie mir, warum eine wettbewerbsrechtliche Anmeldung bei der Europäischen Kommission den Deal aufhält. Die Parteien sind keine Wettbewerber. Das will mir einfach nicht in den Kopf.“ „Das Private-Equity-Haus, das sich bei Ihnen einkauft, bekommt im Gegenzug für sein Geld strategische Vetorechte. Damit erlangen sie Kontrolle über Bellezza. Zudem erreichen die Umsätze von beiden
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