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Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Wolf
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schwanger bist, hab ich auf alle Fälle etwas, was besser aussieht als das hier.« Sie lachte, nahm mich in den Arm und wollte gerade aus der Tür verschwinden, da fiel mir ein, was ich völlig vergessen hatte: »Hey, herzlichen Glückwunsch! Und das meine ich auch echt so. Weißt du denn eigentlich, was es wird?«
    »Erst dachten wir, es wird noch ein Mädchen, aber bei der letzten Ultraschalluntersuchung sagte der Arzt, es handele sich wohl doch nicht um die Nabelschnur«, sie zeigte nach unten, »sondern um etwas, was nach der Geburt dran bleibt.«
    »Na, dann.«
    »Sag mal, machst du eigentlich Sonntag in zwei Wochen irgendwas?!«
    Sonntag in zwei Wochen? Ich überlegte.
    »Nein, eigentlich nicht.«
    »Ach so«, meinte Hanne leicht enttäuscht, während mir ein Licht aufging, weshalb sie gefragt hatte: Der Sonntag, den sie meinte, war nicht irgendein Sonntag. Es war der 19. Juni und das hieß: Der Abstand bis zum 40. verringerte sich wieder um eine Zahl. Es war mein 37. Geburtstag. Während ich den Tag im letzten Jahr tipptopp verdrängt und verleugnet hatte, kam ich wohl dieses Mal nicht drum rum.
    Aber nach einem Menschenauflauf war mir auch nicht. Der stand mir ja eh demnächst bevor – bei seinen Eltern.
    Micha hatte mich schon an einem unserer ersten gemeinsamen Wochenenden nach meinem Sternzeichen und meinem Geburtstag gefragt. Und so wie ich ihn kannte, würde er sicher schon morgens mit geschmierten Brötchen am Bett stehen, die er vermutlich aus selbst geerntetem und gemahlenem Korn gebackenen hatte.
    »Ich feiere wieder in drei Jahren, dann hab ich wenigstens einen Grund, mich richtig zu betrinken. Und bis dahin verzichte ich auf alle Grußkarten und Geschenke, dafür wünsche ich mir zum 40. die Augencreme von La Mer im Zehn-Liter-Eimer!«
    Nachdem ich mich von Hanne verabschiedet hatte, stand ich noch eine Weile im Hauseingang. Sie war weg, aber die Frage war noch da. Und sie hatte verdammt noch mal recht.
    Ich wusste überhaupt nicht, ob Micha sich Kinder wünschte. Ob er vielleicht dachte, mein größter Lebenstraum wäre ein Haus auf dem Land, acht Kinder mit einem Abstand von höchstens neun Monaten und ein großer Hühnerstall. Darüber hatten wir noch nicht gesprochen. Warum auch? Er hatte ja vor seinem Einzug keinen Fragebogen ausgefüllt.
    Eigentlich keine schlechte Idee – nur leider zu spät. Und dann war da ja noch diese Bemerkung über die Pille, als ich sie gesucht hatte. Ein Indiz für den innigen Wunsch, seine Gene weiterzugeben? Mmhh …
    Ich ging hoch.
    *
    Eine Woche nach diesem gewissen Termin, über den Frauen ungern redeten und den Micha und ich ganz unspektakulär miteinander verbrachten, stand das besagte Familienfest an, und wir fuhren nach Mönkeberg. Es war das letzte Wochenende im Juni und mein erstes bei seinen Eltern. In meinen Timer hatte ich ein großes rotes Kreuz gemacht und immer wieder die Tage gezählt.
    Ich hatte das Gefühl, kurz vor der praktischen Prüfung zum Führerschein zu stehen. Dabei war es ja nur ein Besuch bei den Eltern meines Freundes inklusive Familienfest. Wenn schon, denn schon. Aber wer wusste schon, was letztendlich schlimmer war? Die blöde Prüfung hätte man wiederholen können, ein erstes Treffen mit den neuen Schwiegereltern nicht.
    Was das Ganze nicht zwingend leichter machte, war dieses penetrante Bild vor meinem inneren Auge, das einfach nicht verschwinden wollte: ich inmitten eines Haufens von Kindern.
    Micha war in Mönkeberg, direkt an der Kieler Förde aufgewachsen, liebte die Gegend, hatte dort seine Kindheit, seine Jugend verbracht. Alles, was er aus dieser Zeit erzählte, versetzte mich in Staunen, denn es klang so heil, so dankbar, so bilderbuchhaft. Er schwärmte von den Wäldern, in denen er früher regelmäßig laufen war, von seinen Freunden, die alle aus der gleichen Ecke kamen, von den gemeinsamen Partys am Strand, der sich in unmittelbarer Nähe befand, den Geschwistern, mit denen er viel Zeit verbracht hatte.
    All das hatte ich nie gehabt. Kein Haus mit Garten, keine Eltern, die immer noch ineinander verliebt zu sein schienen, keine Geschwister, keine Erinnerungen, die mir heilig waren. Außer der einen Erinnerung an meinen fünften Geburtstag, an dem mein Vater mit mir und meinen fünf Freunden, die ich einladen durfte, zusammen in Trappenkamp auf dem Abenteuerspielplatz »Cowboy und Indianer« gespielt hatte. Mein letzter Geburtstag mit meinem Vater.
    Gegensätzlicher hätten unsere Leben nicht verlaufen können.
    Ich

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