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Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Wolf
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fragte mich, warum ich nicht mitbekommen hatte, dass ich es ihr geschenkt hatte.
    Ich sah mich um. Hatte ich hier sonst noch irgendwem etwas geschenkt? Neben Anni saß ihr Mann Conrad, dann kam Michas Bruder Moritz samt Freundin, sein jüngerer Bruder Maximilian und Johannes, der Älteste, mit Frau Britta. Ich tat, als könnte ich mir alles merken, nickte höflich und schüttelte Hände. Im Grunde waren sie ja auch alle alte Bekannte. Schließlich hingen sie ja seit Wochen in meiner Wohnung.
    Draußen auf dem Rasen tobten die Kinder. Es mussten auch welche aus der Nachbarschaft dabei sein, irgendwie waren es zu viele. Aber welches Kind nun wem gehörte? Keine Ahnung. Ich fragte lieber nicht. Das hätte den Rahmen gesprengt. Meinen persönlichen, denn ich hatte jetzt schon Angst, alle Namen durcheinanderzubringen. Am liebsten hätte ich allen Namensschildchen verpasst. Ich konnte mir fantastisch Telefonnummern merken, Namen dagegen waren schon immer ein Problem.
    Anni und Rosa würde ich mir, sofern sie das Kind nicht einer anderen in den Arm legte, merken können, aber für den Rest übernahm ich keine Garantie. Josephine Wilhelmine, Michas Mutter, wies mir meinen Platz zu, neben Anni, und fragte höflich, was ich trinken wolle. Sie war eine Dame, durch und durch. Und eine gute Gastgeberin.
    Es gab Tee, grün, weiß, schwarz, rot. First Flush, second Flush. Nur von Kaffee sagte sie nichts. Ich nahm schwarz. Second Flush. Was auch immer das war. Ich wollte nicht dumm auffallen.
    »Willst du keinen Cappuccino? Ich mach dir einen«, mischte Micha sich ein.
    »Ach, keine Umstände, ich …«
    Aber da war er schon in Richtung Küche verschwunden.
    Michas Mutter setzte sich zu mir und fragte, seit wann ich Waltraud hätte, die inzwischen von der Leine gelassen worden war und gemeinsam mit Hugo, Huberta und den Kindern um die Bäume lief, nachdem sie sich von allen Seiten beschnüffelt hatten – die Hunde.
    Sie wollte gerne wissen, wie unsere Wohnung so wäre, die sie gerne einmal sehen würde, und was ich beruflich genau täte. Micha hätte nur etwas von einem Radiosender gesagt.
    Sie war eine wache, smarte Frau, vielleicht etwas skurril, da war ich mir nach den paar Minuten noch nicht ganz sicher, aber eines stand fest: Sie war zu meiner Erleichterung sympathisch. Und sie war anders als meine Mutter. Sie hatte so etwas Korrektes, Gerades an sich. Nicht dass meine Mutter vorbestraft war, sie war einfach anders. Jedenfalls sah Josephine Wilhelmine nicht aus, als würde sie die Böller Silvester selbst anzünden, geschweige denn fremde Männer zum Tango auffordern.
    Nachdem mir Micha den Cappuccino gebracht hatte, erzählte sie mir mit einem Strahlen in den Augen von ihren Enkeln.
    All das hier – sie zeigte auf das Haus, den Garten mit seinen Blumenbeeten und der kleinen Gartenlaube, an deren Fenstern gehäkelte Gardinen hingen, die Hollywoodschaukel – wäre nicht halb so schön ohne die Kinder, die das Leben erst lebenswert machten.
    »Was nützt das schönste Haus, wenn darin keiner lacht?«, fragte sie und sah dabei in den Garten.
    Hugo und Huberta hatten inzwischen aufgegeben und lagen unter einem der riesigen Rhododendronbüsche. Vermutlich waren sie für Spiele mit hyperaktiven Kindern einfach nicht gemacht.
    »Mutter sein zu können, das ist ein Geschenk, auch wenn das viele vergessen und nur die Arbeit dabei sehen. Aber Großmutter sein ist wie eine Zugabe bei einem Konzert.«
    Ich versuchte mir vorzustellen, auf was für Konzerte sie ging.
    »Das hat wirklich nur Vorteile. Man kann alles noch einmal erleben, hat aber die Zeit, die früher oft fehlte, hat mehr Ruhe, da man sich nicht mehr aufteilen muss zwischen dem Beruf und den Kindern.«
    Das klang ja fast ein wenig nach einem Werbespot für die Anschaffung einer eigenen Familie – und dem, was dazu gehörte.
    Ich sah ihr auf den Mund und bildete mir ein, sie sagen zu hören: »Schaffen Sie sich jetzt Kind und Kombi an, und sparen Sie einmalig zwanzig Prozent! Nutzen Sie diese Chance. Sie können gleich hier unten rechts unterschreiben …«
    Oh Gott, ich brauchte dringend ein kühles Getränk.
    »Alles in Ordnung, Charly?«, hörte ich sie fragen.
    Ich rieb mir kurz die Augen. »Ja, danke!«
    Dann beugte sie sich etwas zu mir rüber und flüsterte: »Und das Allerbeste: Wenn es mir zu bunt wird, zieh ich mich einfach zurück und hänge das Schild an die Tür, auf dem ›Pssst!‹ steht. Das hab ich mir mal in einem Hotel gemopst. Und wenn das an der

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