Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Wolf
Vom Netzwerk:
Nicht das mit dem Geschmack, das andere.
    »Du bist schwanger.« Dabei vergaß ich, dass meine Hand gerade im geöffneten Briefkasten steckte.
    »Du machst mir Angst«, sagte Hanne mit weit aufgerissenen Augen. »Kannst du jetzt hellsehen? Das sieht man doch kaum.« Sie starrte mich an wie die Kuh Yvonne. Gleichzeitig strich sie sich über den Bauch, um den aktuellen Stand der Rundung, die jetzt mehr als deutlich zu erkennen war, zu überprüfen. Mindestens Ende fünfter Monat. Hatte ich sie wirklich so lange nicht mehr gesehen? Stimmt, es war im Januar gewesen, also vor gut fünf Monaten.
    »Die Hose.« Ich deutete mit der Hand, die nicht im Briefkasten steckte, auf ihre Latzhose.
    »Was ist mit der Hose?«
    »Die sieht … die verrät alles. Überleg mal, wann du die zuletzt anhattest«, grinste ich.
    Sie sah an sich runter, dann zu mir hoch, beziehungsweise zu meiner Hand, und nickte Richtung Briefkasten.
    Ich zog Hand samt Briefen raus und schloss die Klappe wieder.
    »Und?«, fragte ich.
    »Was und?«
    »Freust du dich?«
    »Klar.«
    »Oh, das klingt ja nach echtem Jubel, der von Herzen kommt.«
    »Na ja, ich dachte, das ist jetzt nicht unbedingt eine Nachricht, die du hören willst, vielleicht daher …«
    Ich war also die falsche Ansprechpartnerin. Hatte ich das nicht schon einmal gehört?
    »Denkst du echt, ich freue mich nicht für dich?«
    Ich ging auf sie zu und nahm sie in den Arm. Was sollte ich dagegen haben, wenn ein zweites Kind kam? Nach dem ersten war der Zug ja eh schon abgefahren.
    Sie erzählte von der großen »Überraschung«, als sie feststellte, dass sie schwanger war, von ihren Befürchtungen, die Wohnung würde doch langsam zu eng werden, von ihrer unbändigen, unerklärlichen Lust auf frisch gepressten Weizengrassaft, den es aktuell leider nur in einem einzigen Café in ganz Hamburg gab, und von ihrer langsam wachsenden Freude auf Nummer zwo.
    »Wann kommt es denn?«
    »Laut Flugplan in neunzehn Wochen.«
    Dieses In-Wochen-Gerechne von Schwangeren! Das ging mir schon immer auf den Keks. Jedes Mal musste man heimlich im Kopf nachrechnen, was genau sie meinten, anstatt dass sie sagten: in zirka fünf Monaten. War doch ganz einfach. Oder alternativ könnten sie auch einfach das Datum nennen.
    »Schon?!«
    »Na ja, das ist Mitte Oktober.«
    »Und warum hast du mir das alles nicht erzählt?«
    Ich überlegte, ob mir damals beim Stollenreste-Essen Anfang Januar etwas hätte auffallen müssen – ob sie da komisch war.
    »Hab ich doch gerade getan«, konterte sie.
    »Ich meine nicht im Hausflur und durch Zufall, weil ich dich nun mal in Latzhose sehe, sondern einfach so?«
    »Erstens bist du gerade mit Mr. Big beschäftigt, und außerdem ist es ja auch nicht unbedingt dein Lieblingsthema, oder?« Sie lächelte verschmitzt und sah Richtung Post.
    »Liegt vielleicht daran, dass ich da ausnahmsweise mal nicht mitreden kann«, log ich und guckte schnell den Papierhaufen in meinen Händen durch. Handyrechnung, Festnetzrechnung, Werbung aus dem Babymarkt.
    »Hier, das kannst du ja sicher besser gebrauchen als ich«, sagte ich und gab ihr die Werbung.
    »Wer weiß?«, entgegnete sie.
    »Wieso?«
    Die Haustür öffnete sich, und die Italienerin aus dem fünften Stock marschierte mit mindestens acht Einkaufstüten schwer bepackt an uns vorbei, nachdem sie kurz gegrüßt hatte. Hanne und ich gingen einen Schritt beiseite und machten ihr Platz.
    »Na, jetzt, wo dein Traumprinz bei dir eingezogen ist. Groß genug wäre die Wohnung doch. Oder will Micha kein Kind?«
    »Micha?«, fragte ich, als wüsste ich nicht, wer das wäre.
    Sie sah mich zu Recht an, als hätte ich Alzheimer im fortgeschrittenen Stadium.
    »Ach, Micha. Der … keine Ahnung, vielleicht«, sagte ich und riss schnell den Umschlag der Handyrechnung auf.
    »Oh, klasse. Nur Neunundvierzig Euro!«
    Super Ablenkungsmanöver.
    »Und? Was hast du noch vor?«, fragte ich, bevor sie nachhaken konnte, warum ich bisher noch nicht in Erfahrung gebracht hatte, ob mein »Lebensabschnittspartner«, wie meine Mutter zu sagen pflegte, an Nachwuchs interessiert war.
    Hanne zeigte auf die Latzhose. »Alternativen besorgen. Die geht echt gar nicht mehr. Vor allem nicht bei den Temperaturen da draußen. Ich brauche dringend ein paar weitere Sachen. Meine ganzen Schwangerschaftsklamotten vom letzten Mal sehen aus, als hätte ich sie aus einem Kleidersack vom Roten Kreuz. Hormone verändern anscheinend nicht nur die Geschmacksnerven im Mund. Egal, wenn du mal

Weitere Kostenlose Bücher