Kein Kinderspiel
Tochter gekostet hatte, wie bösartig und heftig die Schmerzen für ihr Kind gewesen sein mußten, welche Alpträume mit Gewalt in den kleinen Kopf gepreßt worden waren.
Helene riß den Mund auf und heulte ohne einen Laut.
Sie saß auf dem Boden, Blut tropfte von der verletzten Hand auf die Jeans. Ihr Körper zitterte vor Einsamkeit, Leid und Schrecken, und sie ließ den Kopf in den Nacken fallen, blickte zur Decke empor. Tränen strömten ihr aus den Augen. Sie hockte auf den Fersen und schaukelte hin und her. Und heulte ohne einen Laut.
Um sechs Uhr abends gingen Bubba und Nelson Ferrare in eine Bar von Cheese in Lower Mills. Wir hatten noch keine Gelegenheit gehabt, mit Bubba zu sprechen. Sie rieten den drei abgewrackten Gästen und dem Kellner, eine kleine Pause einzulegen. Zehn Minuten später flog die halbe Einrichtung nach draußen auf den Parkplatz. Eine ganze Sitzecke kam durch die Eingangstür geflogen und demolierte den Honda Accord eines Stadtrats, der gesetzeswidrig auf einem Behindertenparkplatz abgestellt worden war. Feuerwehrmänner, die vor Ort eintrafen, mußten Sauerstoffmasken überziehen. Die Explosion war so heftig gewesen, daß sie sich offenbar selbst gelöscht hatte. In der Kneipe selbst brannte fast gar nichts, nur im Keller stießen die Feuerwehrmänner auf einen brennenden Scheiterhaufen reinsten Heroins; nachdem sich die ersten beiden, die durch die Kellertür traten, übergeben mußten, zog sich die Feuerwehr zurück und ließ das Heroin verbrennen, bis sie einen ordentlichen Atemschutz hatte.
Ich hätte versucht, Cheese eine Botschaft zukommen zu lassen, daß Bubba ohne Rücksprache mit mir gehandelt hatte, doch rutschte Cheese um halb sieben auf einem frisch gebohnerten Flur im Gefängnis aus. Er fiel unglücklich. Irgendwie verlor er vollkommen das Gleichgewicht und stürzte über das Geländer im dritten Stock. Von dort fiel er fünfzehn Meter tief auf den Steinboden, landete auf seinem riesengroßen gelben Kopf, der immer nur Blödsinn redete, und starb.
ZWEITER TEIL
Winter
23
Es vergingen fünf Monate ohne eine Spur von Amanda McCready. Ihr Foto mit dem schlaff herunterhängenden Haar und dem leeren, ausdruckslosen Blick hing an Baustellenabsperrungen und Telefonmasten, oft vom Wind zerrissen und vom Regen verwaschen, und erschien von Zeit zu Zeit in einer Fernsehsendung. Je öfter wir das Foto sahen, desto undeutlicher wurde es, desto mehr wirkte Amanda wie ein Geist auf uns, desto mehr wurde ihr Bild zu einem von vielen Fotos, die über die Mattscheibe flimmerten oder von Reklameflächen herunterstarrten, so daß die Menschen Amandas Gesichtszüge schließlich mit nachdenklicher Wehmut wahrnahmen, aber nicht mehr wußten, wer sie war und warum ihr Bild an der Straßenlaterne neben der Bushaltestelle klebte.
Die, denen es wieder einfiel, überlief bei der Erinnerung vielleicht ein kalter Schauer, doch steckten sie den Kopf wieder in die Zeitung oder sahen dem nahenden Bus entgegen. Was ist die Welt doch grausam, dachten sie. Jeden Tag geschehen fürchterliche Dinge. Mein Bus hat Verspätung.
Die Durchsuchung der Steinbrüche dauerte einen Monat, förderte aber nichts zutage und wurde abgebrochen, als die Temperatur in den Keller fiel und Novemberwinde durch die Hügel peitschten. Die Taucher versprachen, es im kommenden Frühjahr erneut zu versuchen. Wieder wurde vorgeschlagen, die künstlichen Seen auszupumpen und anschließend zuzuschütten, doch sorgten sich die Verantwortlichen der Stadt Quincy um die Millionen von Dollar, die das kosten würde, und bildeten eine ungewöhnliche Allianz mit verschiedenen Umweltschützern, die vor den Folgen einer Einebnung für die Umwelt warnten. Sie gaben zu bedenken, daß auf diese Weise Wanderer und Radler um eine Vielzahl schöner Aussichtspunkte und die Gemeinde Quincy um einen Schauplatz von großer historischer Bedeutung gebracht würde, außerdem zerstöre man dadurch eines der besten Kletterreviere in ganz Massachusetts.
Im Februar, sechs Monate vor seinem dreißigjährigen Dienstjubiläum, kehrte Poole zurück an die Arbeit. Er wurde wieder dem Rauschgiftdezernat zugeteilt und still und leise zum Detective ersten Grades zurückgestuft. Verglichen mit Broussard hatte er allerdings noch Glück. Broussard wurde vom Detective ersten Grades zum Streifenpolizisten degradiert und mußte eine neunmonatige Probezeit bei der Fahrbereitschaft absolvieren. Einen Tag nach seiner Versetzung - seit der Nacht im Steinbruch war etwas mehr
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