Kein Kinderspiel
Grund sind mein Klient und ich bisher kooperativ gewesen. Aber es ist schon ziemlich spät, meinen Sie nicht auch?«
Sie blätterte wieder um. »Der Staat Massachusetts interessiert sich nicht für das Schlafbedürfnis Ihres Klienten, Mr. Hartman.«
»Tja, das ist das Problem des Staates Massachusetts, denn ich interessiere mich durchaus dafür.«
Sie ließ die Hand auf den Notizblock fallen und sah ihn an. »Was denken Sie denn, daß ich tun sollte, Mr. Hartman?«
»Ich denke, daß Sie dieses Zimmer verlassen und mit Staatsanwalt Prescott reden sollten. Ich denke, daß Sie ihm sagen sollten, daß die Geschehnisse im Edmund Fitzgerald glasklar sind und auf der Hand liegen, daß mein Klient weder beschuldigt wird, für den Tod von Detective Pasquale verantwortlich zu sein, noch für den von Officer Broussard, und daß es Zeit ist, ihn gehen zu lassen. Beachten Sie bitte auch, Ms. Campbell, daß wir bis zu diesem Punkt uneingeschränkt kooperativ waren und es auch weiterhin sein werden, wenn Sie ein wenig die Regeln des Anstands beachten.«
»Das Arschloch hat einen Bullen erschossen«, sagte Detective Centauro. »Den sollen wir einfach so laufenlassen, Mr. Hartman? Das sehe ich aber anders.«
Cheswick faltete die Hände auf dem Tisch, überging Centauro und lächelte die Staatsanwältin an. »Wir warten, Ms. Campbell.«
Sie blätterte noch ein paarmal in ihren Aufzeichnungen herum in der Hoffnung, irgend etwas zu finden, für das sie mich festhalten konnte.
Cheswick blieb noch fünf Minuten länger. Er erkundigte sich nach Angie, während ich auf der Vordertreppe wartete und böse Blicke von den Polizisten kassierte, die durch die Türen des Gebäudes aus und ein gingen. Mir wurde klar, daß ich mich in nächster Zeit besser nicht beim Rasen erwischen ließ. Vielleicht den Rest des Lebens nicht mehr.
Als Cheswick zurückkam, fragte ich: »Wie sieht es aus?«
Er zuckte mit den Achseln. »Sie muß eine Weile dableiben. «
»Warum?«
Er sah mich an, als bräuchte ich ein Aufputschmittel. »Sie hat einen Bullen erschossen, Patrick. Ob in Notwehr oder nicht, sie hat einen erschossen.«
»Und, wärst du dann nicht besser…?«
Mit einer Handbewegung schnitt er mir das Wort ab. »Weißt du, wer der beste Strafrechtler in dieser Stadt ist?«
»Du.«
Er schüttelte den Kopf. »Mein Juniorpartner Floris Mansfield. Und genau der ist drinnen bei Angie. Gut? Also reg dich ab. Floris bringt es, Patrick. Verstanden? Angie kommt schon zurecht. Aber sie hat noch viele Stunden vor sich. Und wenn wir zuviel Druck machen, dann scheißt der Staatsanwalt drauf und bringt es vor die Jury für eine Hauptverhandlung, nur um den Bullen zu zeigen, daß er auf ihrer Seite ist.
Aber wenn wir den Ball flach halten und nett sind, werden sich alle mit der Zeit beruhigen, müde werden und einsehen, daß es möglichst schnell ein Ende haben muß.«
Um vier Uhr morgens liefen wir den West Broadway hinauf. Der eisige Aprilwind fuhr uns in den Kragen.
»Wo steht dein Auto?« erkundigte sich Cheswick.
»Auf der G Street.«
Er nickte. »Fahr bloß nicht nach Hause. Das halbe Pressecorps wartet vor deiner Haustür. Ich will nicht, daß du mit ihnen sprichst.«
»Warum sind die nicht hier?« Ich sah mich über die Schulter nach dem Revier um.
»Falschauskunft. Der diensthabende Beamte hat absichtlich durchsickern lassen, daß ihr beide im Polizeipräsidium festgehalten werdet und nicht hier auf dem Revier. Bis Sonnenaufgang kann das noch halten, aber dann kommen sie zurück.«
»Und wo soll ich hin?«
»Das ist eine gute Frage. Du und Angie, ihr habt der Polizei von Boston mit oder ohne Absicht das dickste blaue Auge seit dem Skandal mit Charles Stuart und Willie Bennett verpaßt. Ehrlich gesagt, würde ich den Staat verlassen.«
»Ich meinte jetzt, Cheswick.«
Er zuckte mit den Achseln und drückte auf die Fernbedienung an seinem Autoschlüssel. Der Lexus piepte leise, und die Türschlösser öffneten sich.
»Ach, scheiß drauf!« sagte ich. »Ich geh’ zu Devin.«
Er fuhr herum. »Zu Amronklin? Bist du verrückt? Du willst zu einem Bullen nach Hause?«
»In die Höhle des Löwen«, sagte ich mit einem Nicken.
Die meisten Menschen schlafen um vier Uhr morgens - nicht so Devin. Er schläft selten mehr als drei oder vier Stunden täglich, und zwar meistens am späten Vormittag. Den Rest der Zeit arbeitet oder trinkt er.
Er öffnete seine Wohnungstür in Lower Mills, und der ihm vorausgehende Whiskeygeruch sagte mir, daß er
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