Kein Land für alte Männer
Wasser zu trinken, dann fuhr er weiter zum Desert Aire, hielt vor dem Wohnwagen an und schaltete den Motor aus. Drinnen brannte Licht. Und wenn du hundert Jahre alt wirst, sagte er, so einen Tag erlebst du nicht nochmal. Kaum hatte er es gesagt, bereute er es auch schon.
Er nahm seine Taschenlampe aus dem Handschuhfach, stieg aus, holte die Maschinenpistole und den Aktenkoffer hinter dem Sitz hervor und kroch unter den Wohnwagen. Im Dreck liegend, blickte er zur Unterseite auf. Billige Plastikrohre und Sperrholz. Isoliermaterial. Er zwängte die Maschinenpistole in einen Winkel, zog die Isolierung darüber und dachte nach. Dann kroch er mit dem Aktenkoffer darunter hervor, klopfte sich den Staub ab, stieg die Stufen hinauf und ging hinein.
Sie fläzte sich auf dem Sofa, sah fern und trank dazu ein Coke. Sie blickte nicht einmal auf. Drei Uhr, sagte sie.
Ich kann später wiederkommen.
Über die Sofalehne hinweg sah sie ihn an, dann kehrte ihr Blick zum Bildschirm zurück. Was hast du in dem Aktenkoffer?
Er ist voller Geld.
Bestimmt. Wer’s glaubt, wird selig.
Er ging in die Küche und holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank.
Kann ich die Schlüssel haben?, fragte sie.
Wo willst du denn hin?
Zigaretten holen.
Zigaretten.
Ja, Llewelyn. Zigaretten. Ich sitze schon den ganzen Tag hier rum.
Wie steht’s mit Zyanid? Haben wir davon noch genug?
Gib mir einfach die Schlüssel. Ich setz mich zum Rauchen in den verdammten Hof.
Er trank einen Schluck Bier, ging nach hinten ins Schlafzimmer, ließ sich auf ein Knie nieder und schob den Aktenkoffer unter das Bett. Dann kam er zurück. Ich hab dir Zigaretten mitgebracht, sagte er. Ich hol sie eben.
Er ließ das Bier auf der Frühstückstheke stehen, ging hinaus, holte die zwei Päckchen Zigaretten, das Fernglas und die Pistole, hängte sich die .270 über die Schulter, schloss die Tür des Pickups und ging in den Wohnwagen. Er gab ihr die Zigaretten und ging weiter ins Schlafzimmer.
Wo hast du die Pistole her?, rief sie.
Wo ich sie halt herhab.
Hast du das Ding gekauft?
Nein. Ich hab’s gefunden.
Sie setzte sich auf. Llewelyn?
Er kam zurück. Was denn?, fragte er. Schrei doch nicht so.
Was hast du für das Ding hingelegt?
Du musst nicht alles wissen.
Wie viel?
Ich hab’s dir doch gesagt. Ich hab’s gefunden.
Das nehm ich dir nicht ab.
Er setzte sich auf das Sofa, legte die Beine auf den Couchtisch und trank das Bier. Sie gehört mir nicht, sagte er. Ich hab keine Pistole gekauft.
Das will ich dir auch geraten haben.
Sie riss eines der Zigarettenpäckchen auf, nahm eine Zigarette heraus und zündete sie mit einem Feuerzeug an. Wo warst du den ganzen Tag?
Zigaretten für dich holen.
Ich will’s gar nicht wissen. Ich will gar nicht wissen, was du so getrieben hast.
Er trank Bier und nickte. So ist es recht, sagte er.
Ich glaub, es ist besser, wenn ich’s gar nicht weiß.
Wenn du nicht bald die Klappe hältst, nehm ich dich mit nach hinten und vögle dich.
Sprüche.
Mach nur so weiter.
Ich hab’s ja gesagt.
Ich trinke nur eben das Bier leer. Dann werden wir sehen, was du gesagt hast und was nicht.
Als er aufwachte, zeigte die Digitaluhr auf dem Nachtschränkchen 1:06. Er lag da und blickte zur Decke auf, während das grelle Gleißen der Neonlampe draußen das Schlafzimmer in ein kaltes, bläuliches Licht tauchte. Wie ein Wintermond. Oder irgendein anderer Mond. Das Licht hatte etwas Stellares, Fremdartiges, mit dem er sich wohl zu fühlen gelernt hatte. Alles, nur nicht im Dunkeln schlafen. Er schwang die Beine unter der Bettdecke hervor und setzte sich auf. Er betrachtete ihren nackten Rücken. Ihr Haar auf dem Kissen. Er zog ihr die Decke bis über die Schulter hoch, stand auf und ging in die Küche. Er nahm die Wasserflasche aus dem Kühlschrank, schraubte den Deckel ab und trank im Licht des offenen Kühlschranks. Dann stand er einfach nur da, in der Hand das kalt beschlagene Glas, und schaute durch das Fenster den Highway entlang zu den Lichtern hin. Er blieb lange so stehen.
Ins Schlafzimmer zurückgekehrt, hob er seine Boxershorts vom Boden auf, schlüpfte hinein, ging ins Bad und schloss die Tür. Dann ging er weiter ins zweite Schlafzimmer, zog den Aktenkoffer unter dem Bett hervor und klappte ihn auf.
Den Koffer zwischen den Beinen saß er auf dem Boden, fuhr mit beiden Händen zwischen die Banknoten und wühlte sie auf. Die Bündel waren zu je zwanzig aufeinandergestapelt. Er schob sie in den Koffer zurück, den er auf dem Boden hin- und herschüttelte, damit sie
Weitere Kostenlose Bücher