Kein Leben ohne Hund
Zu viele Menschen. Zu viel Fremdes. Unsere treue Babysitterin hütet Ruby allein zu Haus.
Gibt es ein Leben ohne Hund?
Jein! Ohne Ruby hat ein Hirnteil frei: kein Kümmern, kein Gucken, keine Gassi-Pflichten. Nichts müssen müssen. Aber ohne Ruby wird auch das Gefühl amputiert. Ein Phantomschmerz des Herzens: kein Streicheln, kein Schatten, kein Tapsen der Pfoten, kein Schnüffeln.
Dein Leben hat ein Loch. Wir sitzen in der Sansibar – und was fehlt? Wir schlafen im Dorfhotel und können nicht einschlafen. Wir rufen Ruby an. Ruby lässt ausrichten: »Feiert, fresst und sauft nur ohne mich.«
Die schlimmsten Sylter? Die Hundebesitzer! Halbe Kälber haben die. Oder überzüchtete Diven. Der Hundestrand ist wie ein Oktoberfest ohne Bier – aber mit Bellen. Die Hölle. Gott sei Dank habe ich keinen Hund, sondern eine Ruby zu Hause.
Wir rasen heim. Ruby wartet. Keine Vorwürfe. Sie wirkt zierlicher als in meinen streichelnden Gedanken. Wir feiern Grill-Rudel-Wiedervereinigungs-Fest. Ruby riecht die Würstchen.
Alles ist wieder gut.
Grüße an Ruby von Tom Cruise
Sevilla, Hotel Gran Meliá Colón, Suite 705, 28 Grad.
«Liebe Ruby,
Je weiter ich von Dir weg bin, desto näher ist mein Herz bei Euch. Ich bell Dir: Rudel ist alles.
Ich war in der Kathedrale, wo Goya gemalt hat, um sechs Kerzen für uns zu entzünden.
Keine Kerzen, selbst das Weihwasser ist verdampft.
Nachts treffe ich Tom Cruise, den vielleicht berühmtesten Star der Welt. Er fragt: ›Wie geht es Deiner Familie?‹ Er kennt ja unsere Kinder. Ich quassle: ›Alles gut, alles gesund, nur unser Hund Ruby denkt daran zu sterben.‹ Tom schweigt, nickt, guckt in meine traurigen Augen: ›Ein Teil Deiner Familie?‹ Ja. Deshalb, Ruby, was immer ich übers Sterben schreibe, ist nur die Angst davor. Aber wir sind Christen. Das Leben ist nur der Vorspann des großen Abenteuers Himmel.
Das ist eine Liebes-E-Mail an Dich. Du bist blind, taub und inkontinent. Aber Du bist schön, weise und wie ein Welpe, der mit uns als erstes Kind im Bett schlief. Deine Augen sind wie eine blinde Sonnenbrille. Deine Schnauze ist elegant. Dein Stupsnäschen ist feucht. Deine Pfoten sind gebrechlich, aber immer noch schnell. Dein Popo ist sexy und Dein Schwänzchen ist alt, aber lustig.
Das Schönste an Dir ist das Herz der Erinnerungen. Wenn ich Dich anblicke, wird mein Herz warm und wie in Zeitlupe kommen die schönsten Tage unseres Lebens zurück. Immer wenn ich nach Hause fliege, freue ich mich auf die Tür unseres Hauses. Wenn ich sie öffne und Du blickst mir blind entgegen, ist es, als würde ich im Adventskalender das 24. Türchen öffnen.
Dein ewiges Herrchen!«
Ein Leben ohne Hund ist ein Irrtum
Ruby blinzelt schnuppernd in die goldenen Strahlen, die sie streicheln. Ruby ist senil, ihr Hirnchen schmilzt zum Welpen. Sie fühlt wie ein Baby. Aber die Sonne wärmt ihr altes Herz. Sonne lässt uns lächeln. Sonne ist Lebensbatterie. Ruby erwacht, wenn ihr Rudel feiert, lacht, grillt und Fußball spielt und guckt. Der Grill glüht das Gefühl. Das Parfüm des Glücks ist der Duft der Würstchen. Die Kinder fußballern und lachen. Frauchen – knackig braun wie Kakao – brutzelt und duscht den Garten. Ich bewache Ruby vor brummenden Kampfhummeln.
Wir tun nichts und doch alles.
Wir erleben das Leben.
Wir wohnen!
Wie wohnt Ruby?
Sie lebt im Kreis. Unser Haus ist ihre Burg.
Ihr Körbchen ist ihr Paradies. Dösen ist Rumhängen.
Die Küche ist ihr Laufstall.
Ihre Näpfchen sind ihre Freizeitbeschäftigungen – alle 30 Minuten.
Die Nacht ist ihre Geisterstunde. Ich habe eine Nacht neben ihr gewacht. Wie ein Gespenst wandelt sie.
Um fünf Uhr steht sie auf. Ich auch. Wir gehen dann Gassi und der Tag erwacht wie ein Geschenk, das man lächelnd auspacken muss.
Ein Leben ohne Hund ist ein Irrtum! Das wusste schon Carl Zuckmayer.
Im Juli fliegt das Rudel nach Mallorca – ohne Ruby. Grausam? Egoistisch?
Das Gegenteil. Optimistisch: Ruby wird nicht abkratzen, solange die Sonne scheint.
Scherz oder Schmerz: Zicken-Oma Ruby wird zu Heidi Kabel
Unser Hund ist unser Herz. Aber das Herz scherzt und schmerzt.
Ruby ist Oma, lebende Leiche, Clown.
Jeder Tag ist eine Komödie. Vorhang auf.
Ruby als Komiker, die Treppe ist ihre Rutsche. 90 Prozent blind schlittert und purzelt sie die Stufen runter ins Leben. Lachen oder weinen?
Ruby als Zicken-Gourmet: Nix frisst sie, Hundefraß hasst sie. Sie liebt nur, was ich esse: Kartoffelbrei – nur warm. Rührei. Grillen
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